Mythos kinderlose Akademikerin !?

Demographische Themen sind in letzter Zeit schwer in Mode. Die Familienpolitik hat auch darauf reagiert, dass in Deutschland zu wenige Kinder geboren werden. Eine der Hauptursachen: Akademikerinnen bleiben zu über 40 Prozent kinderlos.

Und jetzt das: Nach einer Untersuchung des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung sind es gar nicht über 40 Prozent, sondern weniger als 30 Prozent (oder wie die Welt schreibt unter 25 Prozent, wobei uns noch unklar ist, wie sie auf diese Zahl kommen siehe Nachtrag). Im Duchschnitt sind etwas mehr als 20 Prozent der Frauen kinderlos.

Wie das auf einmal?

Das Problem: Die bisherige Datenerhebung hatte ihre Tücken, zum Teil aus rechtlichen Gründen.

In Deutschland werden jährlich "kleine Volkzählungen" durchgeführt, an etwa eintausend repräsentativ ausgesuchten Personen (der Mikrozensus).

Ein Zähler kommt ins Haus und befragt die Personen.

Das Problem: Frauen werden generell nur gefragt, ob zum Zeitpunkt der Befragung, Kinder im Haushalt leben.

Mehr darf nicht gefragt werden, weil dies die Privatspähre der Frau überschreitet (wie einer unserer Autoren bei einer früheren Recherche von einem Mitarbeiter des Statistischen Bundesamtes erfahren hatte). Man wolle so verhindern, dass die Frau in eine unangenehme Situation gerät, weil sie etwa noch Kinder von einem anderen Mann hat, die sie ihrem aktuellen Lebenspartner verschwiegen hat.

Außerdem mangelhaft: Akademikerinnen über 40 werden in die Befragung nicht miteinbezogen, (allerdings bekommen auch nur wenige Frauen über 40 noch ein Kind, so steht es im Wochenbericht des DIW).

Ein weiteres Problem hat aber weniger mit der Erhebungsmethode zu tun, als mit dem Herausgreifen einzelner Teilergebnisse der Statistik für die Argumentation in der Diskussion.

Die Diskussion fokussierte sich nämlich immer nur auf den Teil der Akademikerinnen, nämlich die mit Universitätsabschluss und bezog nicht den Teil der Frauen mit Fachhochschulabschluss mit ein. (Laut DIW liegt aber auch der Anteil der Unifrauen nicht über 40 Prozent, sondern bei knapp 35 Prozent (ohne Migrantinnen)).

Völlig verwirrt jetzt? Tschuldige lieber Leser, war etwas schnell hingeschrieben.

Also, kurz: Wer sagt: Mehr als 40 Prozent der Akademikerinnen sind kinderlos, hat was falsch verstanden oder hat etwas vor mit seiner Aussage.

Und im Folgenden die Zahlen aus dem DIW Wochenbericht im einzelnen für die, die es genau wissen wollen. Alle anderen verabschieden wir schon mal.

TSCHÜSS

Die Zahlen:
Betrachtet man nur die Frauen in Westdeutschland mit Uniabschluss oder Abschluss Technische Hochschule sind laut DIW 34,5 Prozent kinderlos. (Beim Berlin-Institut waren es sogar nur 33 Prozent)

Nimmt er da noch die Frauen mit Fachhochschulabschluss dazu sind für Westdeutschland 30,3 Prozent kinderlos.

Nimmt er da jetzt noch die Frauen dazu, die in der DDR ihren Abschluss gemacht haben, sind nur noch 23,3 Prozent kinderlos.

Und kommen da jetzt noch die Frauen mit Migrationshintergrund und Abschluss im Ausland dazu, sind in Deutschland nur noch 23 Prozent der Akademikerinnen kinderlos.

Zum Vergleich:

Frauen mit Hauptschulabschluss: 15,5 Prozent
Frauen mit Realschulabschluss: 13,4 Prozent

In Deutschland sind von den Jahrgängen 1960 bis 1965 über alle Gruppen betrachtet etwa 20 Prozent kinderlos.

Zum Vergleich die Jahrgänge (=Kohorte) 1950 bis 1955: von diesen sind 15,5 Prozent kinderlos.

Nachtrag:
Zum Unterschied der Zahlen zwischen der Pressemitteilung des DIW und dem WELT-Artikel.

Wir haben kurz beim DIW nachgefragt: Die Zahl von unter 25 Prozent erhält man, wenn man Frauen hinzuzählt, die ihren Hochschul- oder Fachhochschulabschluss in der DDR erworben haben (93 Prozent haben mindestens ein Kind).

Ohne diese Frauen liegt der Anteil der kinderlosen Akademikerinnen knapp unter 30 Prozent.

Da die Bedingungen in der DDR für Akademikerinnen mit Kindern wesentlich besser war als damals und heute in der BRD hat das DIW die Zahl der DDR-Akademikerinnen nicht mit in die Pressemitteilung mit einbezogen.

Nachtrag 2:
Dass die gutverdienenden Männer in der ganzen Geschichte auch noch eine entscheidende Rolle spielen, darauf hatte vor zwei Monaten das Berlin-Institut hingewiesen. Das war aber irgendwie untergegangen oder?

Anmerkung: Aufmerksam wurden wir auf die Geschichte durch den Presseüberblick bei wisskomm.de
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