Vitamine töten Euch!

Guten Morgen Ihr Vitamin-Gurus, die Ihr glaubt, Vitamine seien das Allheilmittel gegen jegliches Erbrechen und man könne gar nicht genug davon bekommen (und mit der normalen Nahrung nehme man sowieso zu wenig dieser wichtigen Stoffe auf).

Und guten Morgen Ihr Ahnungslosen, die Vitamine schlucken, weil Sie glauben, das hilft schon irgendwie, weil sind ja Antioxidanzien, und viel hilft schon viel, und die sich damit ihr schlechtes Gewissen beruhigen, weil sie glauben, sie ernähren sich zu schlecht.

Guten Morgen all Ihr Vitamin-Junkies,

heute schon JAMA gelesen, oder wenigstens die Print-Ausgabe der SZ (naturgemäß nicht online). Vielleicht wird es ja auch in der online-Ausgabe erscheinen. Jetzt auch online.

Titel: Zu viel des Guten
Untertitel: Antioxidative Vitamine können offenbar das Leben verkürzen

Und, durchfährt Euch jetzt ein kleiner Schrecken am Morgen?

Damit Ihr nicht vorzeitig dumm sterbt: Eine Übersichtsarbeit, die 68 Plazebo-kontrollierte Studien mit synthetischen Vitaminen mit mehr als 230.000 Teilnehmern auswertet.

Und hier die ganze Wahrheit direkt ins Gesicht:
"Eine Teilauswertung ergab, dass in 47 Studien, in denen methodisch besonders sorgfältig gearbeitet wurde, die Sterblichkeit unter denen, die regelmäßig Vitamin A nahmen, um 16 Prozent erhöht war, während sie bei Vitamin E um vier Prozent und bei Beta-Karotin um sieben Prozent höher lag. Es wurde kein Beleg dafür gefunden, dass Vitamin C und Selen die Sterblichkeit erhöhen. Genauso wenig gab es Hinweise dafür, dass diese Substanzen das Leben verlängern."
Vergesst all die zitierten Studien, die zeigen sollen, wie wichtig es ist, Vitamine einzuwerfen, die eh nur Grundlagenstudien in Reagenzgläsern oder schlecht gemachte Untersuchungen sind.

SZ-Autor Werner Bartens zitiert Gerd Antes vom Cochrane-Zentrum in Freiburg:
"Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung über antioxidative und Krebs verhindernde Eigenschaften von Vitaminen nicht einfach auf Menschen übertragen werden können."
Und? Ihr Vitamin-Jünger, geht´s Euch jetzt besser? Wenn Ihr jetzt Ahnung von Wissenschaft hättet, wüsstet Ihr natürlich, dass es natürlich nicht ganz so schhlimm ist. Es gibt noch einen Ausweg:

Es ist erstmal nur die eine Studie. Und wenn Ihr uns regelmäßig verfolgen würdet, statt Gesundheitstipps in Frauenzeitschriften oder obskuren Internetforen zu lesen, dann wüsstet Ihr, dass auch jetzt gilt:

Eine Studie ist keine Studie. Das Ergebnis muss erstmal bestätigt werden.

Aber: Bevor Ihr jetzt aufatmet, lest erstmal noch das, was Gerd Antes dazu sagt:
"Wenn sich der massive Verdacht der erhöhten Sterblichkeit erhärtet, haben sich die Vorzeichen umgedreht. Statt antioxidative Vitamine zu fordern, müsste ihr Einsatz zukünftig wohl verteidigt und gut begründet werden."
Also, versprecht Euch nicht zu viel davon. Unser Bauchgefühl sagt uns: Ihr kommt damit nicht durch. Jetzt ist Schluss mit Vitamin-Einwerfen.

Na, ihr Freunde des Vitamins. So beginnt der Tag doch richtig gut.

Also: Losung des Tages: Weg mit all den Tabletten und Pülverchen. Macht Euch frei von Eurem schlechten Gewissen. Es war nur eine Fata Morgana.


So, das musste jetzt mal raus. Eine Polemik am Morgen vetreibt Kummer und Sorgen ...
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Gummipferd | 22. Aug 2007, 20:40

Einerseits und andererseits und außerdem....

Wie sagte Voltaire: "Medizin ist Unterhaltung des Patienten, während die Natur die Krankheit heilt...!"

Zum großen Teil gilt das anscheinend heute noch: diese Studie, jene Studie, qui bono, wer hat sie bezahlt, was ist Wahrheit?

Selbst bei den (wenigen) großen Studien zu den grandiosen Beta-Blockern, ACE-Hemmern usw. - um ein Beispiel zu nenen -, kommt, richtig nachgerechnet, meist nur heraus, daß von dreihundert damit Behandelten 299 auch getrost Gummibärchen lutschen könnten. Nur einer - statistisch sauber - hat wirklich was von der Pille. Wenn Unsereiner im Ernstfall dann nur wüßte, ob er Derjenige ist, nicht wahr? Oder er bekommt auch die schönen, gerne verschwiegenen cerebralen Nebenwirkungen all dieser selbstredend auch in der Denkdrüse wirksamen und höchst lukrativen Wundermittelchen der Pharmagiganten. Aber ob jemand sich nachts in nie gekannten grauenhaften Albträumen wälzt (z.B. nach Statin-Genuß), tagsüber Panikatacken erleidet oder als antriebsloser, depressiver Zombie herumtappt, im schlimmsten Fall auch schon mal den Drang verspürt, sich an die Küchenlampe zu hängen, das ist schließlich nicht so wichtig. Hören´se mal, - bei d e m Nutzen!

Im Prinzip und überwiegend alles bloß pseudowissenschaftliche Mode, der ganze Rezeptorenkram, Ideologie und Werbegedröhn der Fabrikanten und ihrer Referenten-Kohorten, denen heutzutage kein Doktor mehr entkommt. Das gute alte Strophantin, Crataegus usw., das der Doktor an der Ecke einst Opa verschrieb war sicher nicht schlechter, - und die Gesamtversorgung - alles in allem, darunter auch mehr Zuwendung des Artzes, weniger Arbeitshetze (nicht: Mund auf, Pille rein, ab zur Maloche!) und auch einfach mehr Pflichtbewußtsein, Fleiß und allgemeine Kompetenz der Ärzte (aber nicht nur der Ärzte) -, war vor dem großen Krieg oder in den Fuffzigern garantiert sogar erheblich besser als heute! Jedenfalls wäre ich lieber damals herzkrank gewesen als heute.

Doch nun zu den Vitaminen: mag sein, was die Dänen behaupten, vielleicht aber auch nicht. Ob die armen Leute in der Vita-Gruppe nun wirklich an den Pillen früher starben, oder an anderen, unbeachteten Faktoren, - wie will man das denn verifizieren? Vielleicht haben sie zuvor bloß ungesund gelebt, - und deswegen Vitamine genommen? Also schonmal oberflächlich und unseriös. Außerdem haben die Autoren mittlerweile zugegeben, unrealistische Wahnsinnsdosen verwendet zu haben, na ja...

Und was die böse Hypervitaminose betrifft: wenn ich mich recht erinnere (und es jetzt aus dem Kopf nicht umdrehe) liegt die bei Vit. A etwa beim hundertfachen und bei Vit. D beim 37fachen der empf. Tagesdosis (0,8 mg bei Vit. A). Keine Lust jetzt genau nachzusehen, aber in US-Untersuchungen hatten, meiner Erinnerung nach, selbst Probanden mit 100 mg (statt 800 Mikrogramm) tgl. noch keine Symptome. Wenn´s wirklich so gefährlich wär` müßte mich ohnehin nunmehr das nachträgliche Entsetzen packen, - denn als Kind habe ich Lebertran in rauhen Mengen bekommen, und ich war vielleicht das einzige Kind im Lande, das das Zeug sogar köstlich fand (übrigens heute noch). Von den Eskimos wollen wir erst garnicht reden, die, wenn die Dänen recht hätten, alle nur ein kurzes Dasein hienieden hätten (haben sie aber nicht, im Gegenteil).

Last not least die natürlichen Vitamine: ist ja alles richtig, eigentlich braucht keiner Vitaminpillen, wenn er sich "abwechslungsreich" ernährt. Ja, w e n n . Leider auch wieder nur Theorie, - was sollen z.B. solche albernen Empfehlungen, fünfmal am Tag Unmengen Obst und Gemüse in sich hinein zu stopfen? Ich bin doch kein Kaninchen!

Ein typischer Denkfehler in dem Zusammenhang ist auch, daß frühere Generationen, vor unserem Hitech und McDonald´s Zeitalter sich angeblich gesund von natürlichem Gemüse usw. ernährt hätten, - und deswegen als eine Art vorbildlicher Bezugsgröße taugten. Archäologisch-historische Befunde ergeben aber das Gegenteil: gerade die (meist bettelarme) Landbevölkerung
ernährte sich katastrophal einseitig und litt entsprechend unter schweren Mangelerscheinungen (an Skelettfunden etc. nachweisbar). Genau genommen haben fast alle Menschen aller Zeiten (Ausnahme vielleicht die antiken Mittelmeervölker) bis vor kurzer Zeit so gelebt, - und sind früh gestorben. Es gab eben noch keine Vitaminpillen...

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