Liebe Mutter, rette deine Tochter

Wer verkaufen will, muss Bedarf und damit Nachfrage schaffen. Das ist sicher eine alte Wirtschafter-Weisheit.

Wie schafft man Nachfrage im Medikamentenbereich? Durch das Mittel der Furcht. Indem man zum Beispiel erzählt, eine Krankheit wächst zur Volkskrankheit heran usw., obwohl es gar keine gesicherten Zahlen gibt.

Das kennen wir schon.

Ein weiterer Trick kommt aus derselben Ecke. Beim Thema COPD ist uns der bereits begegnet.

Sieht so aus:

Es wird erzählt eine Krankheit XY sei die X-häufigste Todesursache (für X eine Zahl unter den Top 5).

Das schafft Bedeutung. Und Furcht.

Aktuelles Beispiel gefällig?

Gebärmutterhalskrebs. (Ja, Frau Joop, wir sorgen uns auch um unsere Töchter ...)

Da gibt es ja inzwischen den viel beworbenen Impfstoff mit Namen Gardasil von Sanofi Pasteur MSD (HPV-Impgung).

In den Infos dazu ("Liebe Mutter, dies zu wissen, kann das Leben Ihrer Tochter retten ...") heißt es zum Beispiel, Gebärmutterhalskrebs sei die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache bei Frauen zwischen 15 und 44 Jahren.

Das aktuelle arznei-telegramm rückt das Bild in seiner aktuellen Ausgabe ein wenig zurecht:

1. Das Zervixkarzinom ist bei Frauen die zweithäufigste Krebsart - aber nur weltweit betrachtet. 80 Prozent der Erkrankungen treten in Entwicklungsländern auf. (Bei COPD wird derselbe Trick verwendet).

2. Bei den Krebssterbefällen lag der Gebärmutterhalskrebs in Deutschland an zwölfter Stelle (2002).

3. Über alles betrachtet: 2006 starben in Deutschland 7801 Frauen zwischen 15 und 45 Jahren. Davon 184 Frauen am Zervixkarzinom. Das sind 2,4 %.

4. Unter den häufigsten Todesursachen in dieser Altersgruppe belegt dieser Krebs Platz 9.

Klingt doch alles gar nicht mehr so schlimm, oder? (Sorgen macht man sich aber als Eltern natürlich trotzdem und der Pharmariese weiß das auch sehr gut zu nutzen.)

Also: Wie immer nachfragen auf was sich eine Zahl bezieht? (Sprechen Sie von Deutschland oder von der ganzen Welt? Wie viel ist das in Deutschland in dieser Altersklasse? usw.)

Mehr unabhängige Infos zum Thema HPV-Impfung gibts bei den hochgeschätzen Kollegen von Gute Pillen - Schlechte Pillen.
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jupe | 16. Nov 2007, 11:52

ist dieser Impfstoff gegen Gebährmutterhalskrebs nicht zufällig auch irre teuer?
marcus_ | 16. Nov 2007, 12:20

159,05 Euro pro Spritze, für die Grundimmunisierung

macht das 477 Euro. In Deutschland zahlt´s inzwischen die Krankenkasse, soweit ich weiß.
mager | 18. Nov 2007, 16:40

Konkurrenz belebt das Geschäft?

Was für ein Zufall, daß das Konkurrenzprodukt Cerivarix genau das selbe kostet...
marcus_ | 19. Nov 2007, 09:00

Dafür hilft es auch nur gegen die HPV-Typen 16 und 18 ...

und nicht gegen 6 und 11 und schützt damit nicht gegen Genitalwarzen.

arznei-telegramm zu Cervarix:

"Ebenso wie bei Gardasil bleiben entscheidende Daten zur Beurteilung des Nutzens von Cervarix nicht mitgeteilt ..."
macaca | 8. Jan 2008, 15:28

Seltsam

Unbestritten, Pharmafirmen wollen ihre Produkte auf den Markt bringen.
Doch bevor man die Werbetxe der Pharamaindustrie kritisiert, sollte man sich warm anziehen. Denn die hoch bezahlten Science Writer der Pharmariesen erlauben sich nur ungern einen Patzer. Sollten sie es wagen, sich für Kritiker so angreifbar zu machen, und falsche Zahlen in ihren Patientenbroschüren verbreiten? Ziemlich unwahscheinlich. Manipulation gibt es. Aber an subtilerer Stelle (siehe auch BMJ 2003;326:1167-1170 (31 May), Pharmaceutical industry sponsorship and research outcome and quality: systematic review).

Die Weltgesundheitsorganisation WHO und das Institut Catala d'Oncologia hat in "Human Papillomavirus and Cervical Cancer Summary Report" eine Tabelle zur Inzidenz des Zervixkarzinoms in Europa publiziert mit einem Ranking der Häufigkeit unter anderem bei Frauen von 15 bis 44 Jahren. Hier ist das Zervixkarzinom in Europa insgesamt am zweithäufigsten (Quelle: IARC, Globcan 2002). Der Stellenwert in den einzelnen Ländern schwankt, liegt jedoch für Deutschland ebenfalls auf Rang 2. (Quelle Krebsinformationsdienst).

Jeden Tag sterben laut Krebsinformationsdienst fünf Frauen an Gebärmutterhalskrebs (die vielen behandelbaren Vorstufen, die schmerzhafte Eingriffe und mitunter Infertilität nach sich ziehen, mal weggelassen).
Es ist bereits die zweite Krebsimpfung und droht wie bereits die erste gegen Leberkrebs in Deutschland zu verpuffen. Meine wissenschaftlich Neugier richtet sich daher jetzt auf ein psychologisches Thema: Warum sind die Deutschen so impfängstlich?

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