Diverses

Skeptisch sein bis zum Anschlag

Läuft gerade einer unserer Lieblingsgeschichten ... Die zwölf Geschworenen ... in der ´97er Fassung mit Jack Lemmon und George C. Scott ... Original von Sidney Lumet mit Henry Fonda. Warum wir das hier erwähnen?

Gute Journalisten müssen sein wie die Figur, die Fonda und Lemmon verköpern: Skeptisch bis zum Anschlag, ausdauernd und unempfindlich gegen Gruppenzwang, integer ...

(Wir wollten noch etwas relativierendes nachtragen, aber wir lassen das.)
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Der/Das Virus ist vernichtet

Wir sind wieder auf dem Damm. Der/Das familiär gehütete Virus (siehe Protokolle der großen Actimel-Studie) hatte sich letztlich auch für uns als Reproduktionsort entschieden und wir konnten ihm einfach nicht widerstehen.

Doch jetzt ist aber auch genug damit. Der Gegner ist vernichtet unter Einsatz von Hausmitteln und Mitteln der Pharmaindustrie.

Wir haben natürlich auch die große Actimel-Studie weitergeführt (aber im Fieber natürlich keine geraden Sätze oder objektiven Formulierungen mehr zusammenbekommen). Die Protokolle liefern wir nach. Dann wird es eine Auswertung geben. Und dann werden wir Danone mal was erzählen.

Demnächst mehr, hier, bei !PLAZEBOALARM!
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Mein Kind ist das Beste, Schönste, Tollste

Dass Studien, die von Pharmafirmen gesponsert werden, mit Vorsicht zu genießen sind, zumal, wenn es um die eigenen Produkte geht, darauf haben wir oft genug hingewiesen.

Aber man kann lange hin und her erklären, manchmal bringt es ein schöner Vergleich auch ganz einfach auf den Punkt.

Wie dieser hier:
"Die Pharmafirmen gehen mit ihren Medikamenten um wie mit ihren Kindern, sie haben nahezu eine Liebesbeziehung zu ihnen: Sie haben sie entwickelt, modifiziert, sie haben Rückschläge erlebt, auf Zulassung gehofft. Sie können sie nicht objektiv beurteilen. Genauso wenig können Eltern das Zeugnis ihrer Kinder schreiben."
Gesagt hat das Peter Sawicki, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zu der Unmöglichkeit, von der Pharmaindustrie objektive Bewertungen von Arzneimitteln zu erwarten. Zitiert aus der taz vom 6. Januar 2007.

Wir haben es gefunden im Pharmabrief 1/2 2007 der BUKO-Pharmakampagne.
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Scheinärzte: Maurer in Arztkitteln

Es sind ja nicht nur Pillen, die man als Plazebo einsetzen kann. Sehr wichtig ist auch das ganze Prozedere, die Behandlung, der Arzt an sich, die mit dazu beitragen, dass sich ein Patient als behandelt fühlt und damit seine Selbstheilungskräfte aktiviert.

Wie leicht man offenbar den Arzt ersetzen kann in dieser Prozedur, zeigt eine Meldung, die über Spiegel, dpa und SZ-onlien bis zu uns vordrang.

Das Werksarztzentrum Recklinghausen hat Maurer und Bäcker in Arztkittel gesteckt und sie als Werksärzte ausgegeben. War offensichtlich erfolgreich. Laut einer Radiomeldung des WDR 5 von gestern (die wir hier nur aus der Erinnerung widergeben) haben die Schein-Ärzte seit 1991 Blut abgenommen und /oder Impfungen verabreicht. Ob sich das wohl auf den Krankenstand bei Firmen wie Coca Cola, Randstad oder Degussa auswirkte?
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Vorurteil mit umgekehrtem Vorzeichen

Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass Muttermilch fast so etwas wie eine heilige Kuh ist. Sie ist sozusagen unendlich gut. Es gab Zeiten, da war genau das Gegenteil der Fall (Die Flaschenkinder unter uns wissen, wovon wir reden.)

Aus eigener Erfahrung wissen wir aber auch, dass man, wenn man etwas "ins Herz geschlossen hat", gerne mal vergisst, die rosa Brille abzulegen.

Man glaubt alles, was einem Heiligtum an neuen positiven Eigenschaften zugeschrieben wird (Muttermilch macht schön, klug und erfolgreich), und zweifelt alles an, das am Image dieses Heiligtums kratzt (Muttermilch mit Schadstoffen belastet).

Deshalb ist der Artikel von Heike Le Ker bei SpOn über Muttermilch ein Artikel nach unserem Geschmack. Weil er uns daran erinnert, dass wir auch bei den Dingen kritisch sein müssen, die wir eigentlich lieb gewonnen haben ("lieb" ist jetzt der falsche Begriff, aber das lief jetzt gerade so aus den Fingern heraus).

Also, legt die rosa Brillen ab (auch wenn heute die tollen Tage beginnen), denn es gibt auch Vorurteile in die positive Richtung, also mit umgekehrtem Vorzeichen sozusagen.

(Martin, machst Du mal das Fläschchen warm!)
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Es ist häufig (sehr) selten - meistens jedenfalls

Eines der (sehr/extrem) häufigen täglichen Probleme eines Wissenschaftsjournalisten (und vieler anderer) ist der Kampf, wissenschaftliche Ergebnissen in sinnvolle, verständliche und angemessene Sprache zu übersetzen.

Schwierig wird es zum Beispiel (sehr/extrem) häufig, wenn es um die Häufigkeit eines Ereignisses geht. Wann ist etwas häufig, sehr häufig oder extrem häufig, wann ist es selten oder sehr selten. Wann kann man manchmal schreiben und wann immer?

Wir wissen gar nicht, ob es für Wissenschaftsjournalisten so etwas wie ein Richtschnur gibt. Für Mediziner gibt es so etwas, wenn es um die Einschätzung geht, wie häufig eine Nebenwirkung auftritt.

Eine Nebenwirkung ist zum Beispiel sehr häufig, wenn mehr als zehn von einhundert Patienten davon betroffen sind (also mehr als zehn Prozent).

Selten ist die Nebenwirkung, wenn ein bis zehn von zehntausend Personen davon betroffen sind (also zwischen 0,01 und 0,1 Prozent).

Gut zu wissen. Mehr dazu hier.

Solche Hilfestellungen nimmt man im täglichen Kampf mit Wort und Zahl wahrscheinlich viel zu selten(?) zu Rate. Oft ((sehr)häufig?))(meist)(immer) entscheidet auch nur das eigene Bauchgefühl oder die Hysteriefähigkeit oder der Chefredakteur, ob etwas extrem häufig oder sehr häufig stattfindet.

Und das kann natürlich auch der Grund für ausgelassene Streitereien um einzelne Worte sein - wie zuletzt im Weltklimarat bei der Abfassung des IPCC-Berichtes (wie wir im aktuellen New Scientist (10. Februar, S. 7: "Reason to be cautious") erfahren).

Da ging es nämlich darum, ob der menschliche Beitrag an der Klimaerwärmung extremely likely oder nur likley ist. Das IPCC hatte die Begriff natürlich definiert: extremely bedeutet eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 95 Prozent, während likeley nur wahrscheinlicher als 66 Prozent ist. Einige Briten waren für extremley, während die Chinesen likely vorzogen.

Der Streit dauerte fünf Stunden (sagt NS).

Am Ende einigte man sich auf very likely, was für eine mindestens 90-prozentige Wahrscheinlichkeit spricht, dass der Mensch die globale Erwärmung verursacht hat.

Was lernen wir daraus: Das IPCC hatte definitiv keinen Redaktionsschluss, (sehr) wahrscheinlich.

Für die Nicht-Engländer unter uns:
extremely = extrem
likely = wahrscheinlich
very = sehr
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Iss.Das.Nicht!

Was die wisskomm.de-Jungs (gibt´s da eigentlich Mädchen?) mit ihrer täglichen Presseschau für den deutschsprachigen Bereich leisten, schafft Plazeboalarmkollege Martin Schäfer mit seinem Blick in die internationale Presse auf EuroScience.net, den man auch als wöchentlichen Newsletter bestellen kann.

Dort verwies er uns auf einen Artikel in der NYT von Michael Pollan. Er hat bemerkenswertes zum Thema "Essen" zu sagen.

Einerseits fasst er kurz zusammen, für welche allgemein anerkannten Ratschläge inzwischen die wissenschaftlichen Belege ausgehen (z.B. fettarme Ernährung schütze vor Brustkrebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen etc.).

Andererseits gibt er einen einfachen Hinweis, den man sich zu eigen machen sollte in diesem Dschungel von Lebensmitteln mit zusätzlichen gesundheitlichen Effekten (was in US-Land ja noch deutlich ausgeprägter ist, als es hier der Fall ist. Das wird sich aber denmächst ändern ... da müssen wir auch nochmal nachhaken).

Sein Tipp für den nächste Einkauf im Supermarkt lautet:
"Wer sich Gedanken um seine Gesundheit macht, sollte Nahrungsmittel mit Gesundheitsslogans im Regal stehen lassen. Warum? Weil Nahrungsmittel/Lebensmittel mit Gesundheitsslogans ein gutes Anzeichen dafür sind, dass es sich nicht wirklich um ein Nahrungsmittel/Lebensmittel handelt."
Dazu muss man wissen, was er vorher beschreibt:
"Es gab einmal eine Zeit, da waren Nahrungsmittel/Lebensmittel, alles, was man essen konnte. Heute gibt es aber auch noch eine ganze Menge Nahrungsmittel-ähnlicher Substanzen im Supermarkt zu kaufen." Er meint das, was man auch als processed food beschreibt (wie wäre der deutsche Begriff?)
So, und weil hier gerade wieder die Arbeit ruft (sprich das Telefon klingelt mit einer Nummer aus der Stadt der großen Redaktionen) gibt´s nur noch eines zu tun:

Lest.Das.Selbst!
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Ein Bein ist kein Bein

Fangen wir mal ganz langsam an im neuen Jahr.

Wissenschaft ist schon verdammt kompliziert, mit all diesen Fremdwörtern, den Statistiken, den komplizierten Fragen und oft ebenso komplizierten Antworten.

Doch manchmal ist sie auch ganz einfach.

Denn in der Wissenschaft gilt der gute alte Tresenspruch: "Ein Mal ist kein Mal." respektive "Auf einem Bein kann keiner stehen."

Genau wie wir in unserer Stammkneipe ganz automatisch nach dem zweiten Bier verlangen (oder besser: Das Kaltgetränk findet ganz automatisch den Weg zu uns.), sollte es auch in der Wissenschaft sein, wenn es um Entdeckungen und wissenschaftliche Belege geht.

Will sagen: Jede Entdeckung oder jeder wissenschaftliche Nachweis ist erst was wert, wenn das Ergebnis von unabhängiger Seite bestätigt wird (auch wenn alle immer so tun, als ob es anders wäre).

(Leute, das ist ein echtes Killerargument, das man verwenden kann, bevor man sich all der anderen komplizierten Details widmet.)

Begründung: "Da könnte ja sonst jeder kommen ... " (also zum Beispiel ein Safthersteller, oder ein Produzent von Nahrungsergänzungsmitteln im Nanometerbereich oder ein Luftaufbereiter.)

Also: Kommt ein Safthersteller, oder ein Produzent von Nahrungsergänzungsmitteln im Nanometerbereich oder ein Luftaufbereiter uns blöd und meint: "Hey, ich hab´ hier eine wissenschaftliche Studie, die die Wirkung unseres Produktes belegt." und er hat nicht mehr zu bieten, kann unsere lapidare Antwort nur lauten:

"Ey, Chef, ein Mal ist kein Mal." respektive "Ey, Chef, auf einem Bein kann keiner steh´n."

Und eines sollte man nicht vergessen. Es geht eigentlich gar nicht um die Anzahl der wissenschaftlichen Nachweise, sondern um die Anzahl der unabhängigen wissenschaftlichen Nachweise.

Will diesmal sagen: Kommt uns der Safthersteller, der Produzent von Nahrungsergänzungsmitteln im Nanometerbereich oder der Luftaufbereiter erneut blöd und meint: "Ich habe aber zwei wissenschaftliche Studien machen lassen."

Dann kann unsere Antwort nur lauten: "Hey, Alter, aller guten Dinge sind drei."

Und dieses Spiel treiben wir so lange weiter, bis uns Safthersteller, der Produzent von Nahrungsergänzungsmitteln im Nanometerbereich oder der Luftaufbereiter die erste unabhängige wissenschaftliche Studie vorlegt.

Und dann können wir mal weiter sehen.

Take home message: "Kommt Dir jemand mit ´ner Studie, bestell´ erstmal ein Bier."

Zusatz:
Damit die ganzen Google-Sucher diesen wertvollen Tipp auch finden: Cellagon, neosino, Airnergy.
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Feierabend, für dieses Jahr

Bevor wir hier die Tore für dieses Jahr schließen, noch zwei Tipps für die kommenden Tage. Mal nichts zum Lesen, sondern zum Schauen (Flash Player 9 notwendig). Beides sind Vorträge vom IQWiG-Herbst-Symposium 2006.

IQWiG ist das Institut für Qualität und Wirtschaftkichkeit im Gesundheitswesen, und wenn man es kurz machen will eine Art TÜV oder Stiftung Warentest für Medikamente und Therapien.

Für den ersten Beitrag stellen wir uns mal janz dumm und frachen: "Wat is eigentlich ein Placebo, upps, ahm, Pazebo?".

Antwort gibt Jürgen Windeler.

Und wer sich für´s nächste Jahr viel in punkto Gesundheit, Sport usw. vorgenommen hat, weil hofft dem Tod ein wenig später von der Schippe zu springen, der werfe vorher noch einen Blick auf den Vortrag von Ingrid Mühlhauser. Dann ist das schlechte Gewissen nachher nicht ganz so schlecht.

So, das war´s für dieses Jahr (wahrscheinlich). Allen Euch, die sich immer wieder hier hin verirren ein frohes Fest und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Wir melden uns zurück im Kampf gegen Scharlatane und Pseudowissenschaft. Auch nächstes Jahr gibt es wieder lässige Texte über haarsträubende Wissenschaft.

Wir sind Plazeboalarm. Klar soweit?

Demnächst mehr, hier bei Plazeboalarm.
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Der Geist des Weines

Wir können uns ja auch nicht um alles kümmern. Müssen wir auch nicht. Es gibt ja auch die anderen Mitstreiter.

Deshalb: Wer etwas Erhellendes zur Resveratrol-Sache, also diesem "Wunderstoff aus Rotwein" wissen will, den empfehlen wir einfach mal an Kathrin Zinkant bei Zeit.de weiter.
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aktualisiert: 12. Dez, 12:22
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Mit Gruß tom-ate
tom-ate - 21. Apr, 21:45

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