Mythen des Alltags

Beim Zähneputzen lässig bleiben

Was bisher geschah.

Ein schlechtes Gewissen plagt die Deutschen vor dem Badzimmerspiegel. „Ich putze nicht lange genug meine Zähne.“ Drei Minuten sagen Experten, mindestens.

Wer uns in solche Gewissenskonflikte treibt, wird seine Empfehlung sicher auf eine breite Datenbasis stützen. Unsere Anfrage an die Gesundheitsseite rundum Zahngesund des Deutschen Grünen Kreuzes in Marburg wurde weiter geleitet an Joachim Klimek, Professor an der Poliklinik Zahnerhaltungskunde und Präventive Zahnheilkunde in Gießen.

Er schickte uns eine Studie in Acta Paradontologica aus dem Jahre 1985. Probanden putzten sich in mehreren Durchläufen eine, zwei, drei und vier Minuten die Zähne. Die Zahnmediziner registrierten, wie gut die Personen ihre Zähne von Plaque befreit hatten. Nach drei und vier Minuten sah das schon besser aus als nach ein und zwei Minuten, aber: „Es entpuppten sich Lingualflächen (Innenseite) und Molarensegment (Backenzähne) als höchst reinigungsresistent.“ Auch nach vier Minuten.

Und: Das Ergebnis stützt sich auf die Zähne von gerade mal sechs Personen (vom Zahnärztlichen Institut mit „guter Zahnreinigungstechnik“) und die putzten ohne Zahnpasta. Richtig repräsentativ ist das nicht.

Mhm.

Der Autor der Studie erteilte einer Putzempfehlung von drei Minuten ein klare Absage: „Eine Reinigungszeit von drei Minuten (…) wäre bei weiten Bevölkerungskreisen ohne Aussicht auf Erfolg“. (Wo er Recht hat, … ) Große Studien ergeben immer wieder: In der Regel putzen die Menschen zwischen 30 Sekunden und einer Minute.

Joachim Klimek: „In den gängigen Lehrbüchern findet man keine Angaben zur Länge (…) des Zähneputzens.“ Über das Thema könnte man trefflich streiten, so Klimek. Es gebe keine sauber kontrollierten wissenschaftlichen Studien dazu.

Klimeks Fazit: „Grundsätzlich wäre es natürlich ideal, wenn jeder Mensch eine auf ihn zugeschnittene Empfehlung zur individuellen Mundhygiene erhalten würde. Da dies leider alles nicht so funktioniert wie wir möchten, müssen wir weiter mit Empfehlungen leben, die ein Kompromiss sind und im Detail wissenschaftlich nicht sauber belegt werden können.“

Unser Fazit: Morgens und abends lässig die Zähne putzen, auch mal etwas länger. Ein schlechtes Gewissen müssen nicht wir haben, sondern diejenigen, die eine drei Minuten Putzempfehlung ausgeben.
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3 Minuten Zähne putzen, mindestens

Es gibt diese kurzen, handfesten Gesundheitstipps, die einfach, plausibel und leicht umzusetzen sind und immer wieder gerne verbreitet werden. Leider entpuppen Sie sich hin und wieder als völliger Unsinn.

Etwa der Hinweis, man solle statt Kaffee Apfelschorle oder Früchtetees trinken. Denn, das wusste jedes Kind: Kaffee entzieht dem Körper Wasser (merkt jeder, wenn er öfter als sonst zum ‚Wasser lassen’ rennt).

Okay: Wurde inzwischen als Alltagsmythos entlarvt. Ein Denkfehler in der ursprünglichen Studie. Intensive Kaffeetrinker (also Journalisten etc.) dürfen sich ruhig noch einen nachschütten, sie werden nicht vertrocknen.

Ein anderer Tipp, der gerne von jedem Gesundheitsjournalisten verbreitet wird (Auch Mitglieder unserer Redaktion tun dies hin und wieder. Natürlich nicht der Autor dieser Zeilen, neeeiiin …), lautet:

PUTZEN SIE SICH IHRE ZÄHNE MINDESTENS DREI MINUTEN LANG.

Mindestens drei Minuten lang ...

Drei Minuten …?

Warum eigentlich?

DAMIT DIE ZÄHNE GESUND BLEIBEN.

Aha, wieso? Wer sagt das?

DER EXPERTE.

Aha, der Experte …

Und woher weiß er das?


Wir haben mal eine zufällig ausgewählte, unabhängige Zahnexpertenseite befragt, die diesen Tipp ganz nebenbei – wie viele andere auch – verbreitet (ohne jede weitere Erläuterung): Auf welche Studie bezieht sich diese Empfehlung eigentlich? Wer war der erste, der das behauptet hat und wie kommt er dazu?

Wir stellten die Frage am Freitag, dem 23. September 2005 (für das Protokoll). Jetzt warten wir.

Wir sagen aber nicht, wen wir gefragt haben, weil wir auch jeden anderen in diese peinliche Situation hätten bringen können.

Es gibt sicher irgendwo eine stichhaltige Untersuchung … irgendwo muss sie sein.

Wir warten.
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Currywurst auf Rezept

Du glaubst es nicht. Kürzlich verwiesen wir noch auf einen Artikel in der Süddeutschen, in dem erklärt wird, was von Überschriften wie Currywurst schützt vor Alzheimer zu halten ist. Da pflastert der Kölner Express heute die Republik mit dem Titel: Currywurst schützt vor Krebs (Leider nicht online).

Ergo: Express-Redakteure lesen keine Süddeutsche Zeitung (und keinen Plazeboalarm). Und Sie verfahren bei ihrer Geschichte nach dem bekannten Muster. Natürlich hatte niemand Currywurst sechs Monate an Krebskranke verfüttert. Nicht mal an Ratten.

Es wird lediglich auf eine Untersuchung der Uni Texas verwiesen: Dank des Inhaltsstoffes Curcumin im Currypulver starben Krebszellen in der Petrischale. Auch der alte bekannte Alzheimerschutz taucht im Artikel auf.

Und da Curry bekanntlich eine Gewürzmischung ist, gibt es folglich auch noch eine ganze Reihe anderer Krankheiten, gegen die es schützen soll: Infarkt, Darmträgheit, Infekte, Blähungen, Krämpfe, Müdigkeit, Depressionen, hohe Cholesterinwerte.

Warum nicht gleich Currywurst auf Rezept für Krebskranke?

Das wäre mal ein Aufmacher.
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Die Macht des Mondes

Neulich beim Kaisers an der Kasse. Sagt die Kundin zur Kassiererin: „Ach, ich hatt´ am Dienstach wieder so Malässe mit de Bän. Et wor Vollmond, ooch noch der janz ausgeprägte.“

Verkäuferin: „Nee, der wor doch am Montach.“

Kundin: „Ach nee, ech´?

Verkäuferin: „Jo, ävver der abnehmende Mond is manchmal noch viel schlimmer.“

(Hinweis: Der Link führt nicht zu einer in wissenschaftlicher Hinsicht vertrauenswürdigen Quelle. Wer wissen will, was an der Macht des Mondes wirklich dran ist, sollte mal hier und hier nachsehen.
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