SuperSuperSuperGau

Dass sich der Tag der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl (26. April 1986) unaufhaltsam nähert, merkt man auch an der erhöhten Schlagzahl der Artikel und Berichte über das Ereignis.

Beliebtester Begriff in diesem Zusammenhang ist natürlich der GAU oder aber der Super-GAU.

(Ihr merkt schon worauf wir hinaus wollen?)

In einem Ansturm von Besserwisserei ereiferte sich ein Teil unserer Redaktionen (in dem Fall ich) darüber, wie man denn bitte den Begriff Super-GAU verwenden könnte. Und dass, wer den benutzt, sich selbst entlarvt als reißerisch veranlagter Journalist, der weit davon entfernt ist, journalistisch seriöse Arbeit abzuliefern (Das ist uns vor einigen Monaten schon mal passiert).

Manchmal ist es besser seinen eigenen Kenntnisstand zu überprüfen (Schrieben wir "manchmal" ... ?).

Ein kurzer Blick in die Wikipedia: Was ist eigentlich ein GAU?:
"GAU ist ein Akronym. Die Buchstaben stehen für Größter Anzunehmender Unfall."
Klar, das wussten wir schon. Wenn das also schon der größte anzunehmende Unfall ist, dann kann es logischerweise keinen Super-GAU geben.

Aber, lesen wir weiter:
"... Der schwerste der Auslegung nach noch beherrschbare Unfall wird dabei als GAU bezeichnet, weil er der größte für die Auslegung der Anlage angenommene Unfall ist."
Upps. Offenbar geht es gar nicht um die denkbar größte Katastrophe überhaupt, sondern um den größten gerade noch in den Griff zu kriegenden Unfall.
"Bei Kernkraftanlagen bezeichnet der Begriff GAU den größten anzunehmenden Unfall, den die Sicherheitssysteme noch so weit beherrschen, dass daraus außerhalb der Anlage keine über den zulässigen Grenzwerten liegende radioaktive Strahlenbelastung resultiert."
Dann wäre der Begriff Super-GAU doch angebracht, oder? Tschernobyl war offensichtlich nicht beherrschbar, es trat Radioaktivität aus, die sämtliche jemals festgelegten Grenzwerte übertraf, ergo war es größer als der GAU.

Oder ganz genau:
"Mit Super-GAU wird ein Unfall bezeichnet, der die Auslegung der Anlage überschreitet. Manche bezeichnen diesen Begriff als Pleonasmus, da ein Superlativ die höchste Form der Steigerung darstellt. Da ein GAU jedoch nicht der maximale Schaden, sondern streng genommen nur eine Auslegungsrandbedingung ist, ist eine Steigerung durchaus möglich: ein Unfall, der so schlimm ist, dass für ihn die Sicherheitstechnik nicht mehr ausgelegt ist."
Okay, wir senken unser Haupt, (also ich mein Haupt) in Demut. Um ihn sogleich wieder zu heben mit dem Einwand: Wikipedia ist ja nicht die Bibel. Wer sagt das überhaupt, woher kommt die Definition für GAU. Quelle? Fehlanzeige.

Was sagt denn der 24-bändige Brockhaus, 20. Auflage zum GAU? (äh, wie verlinken wir denn da jetzt?)
" ... in der Reaktorsicherheit nicht mehr verwendeter Begriff ... . (auch gut)
... der als Auslegungsstörfall den sicherheitstechn. Überlegungen zugrunde gelegt wird. ... "
Aha, also etwa dasselbe, oder? Und weiter zu Super-GAU:
" ... In der öffentlichen Diskussion um die Sicherheit von Kernkraftwerken wird v.a. von den Medien der Begriff GAU, häufig emotional verstärkt als Super-GAU, auf alle schweren, überhaupt denkbaren oder hypothet. Störfälle und ohne Beachtung ihrer Einrittswahrscheinlichkeit angewendet, so auch auf die Reaktorunfälle in den Kernkraftwerken Three Mile Island (...) und Tschernobyl (...), bei denen Sicherheitsdefizite und gravierende Fehlbehandlung des Betriebspersonals eine ausschlaggebende Rolle spielen, ... "
Mhm, sind wir jetzt schlauer? Kann uns wer helfen? Ihr seht uns ein wenig ratlos.

DARF MAN DENN JETZT SUPER-GAU SAGEN ODER NICHT?

Dürfen schon, aber ist es sinnvoll, präzise, sagt es etwas aus, liefert es mehr Information? Und wenn ja, welche?

... ?

Nachtrag:
Renate Künast (Die Grünen) schreibt in ihren Erinnerungen an die Tschernobyl-Katastrophe vor zwanzig Jahren in Spiegel Online immer nur vom GAU.
...........................................................................................
kawe | 22. Apr 2006, 07:07

Zwiebelfisch

Stellt die Frage doch dem Zwiebelfisch. Vielleicht dröselt Bastian Sick die Sache auseinander: http://www.spiegel.de/zwiebelfisch/
marcus_ | 22. Apr 2006, 10:20

Zwiebelfisch ist angeschrieben

hatten wir auch schon dran gedacht.

Antwort kam prompt zurück:

Sehr geehrter Zwiebelfisch-Leser,
vielen Dank, dass Sie mir geschrieben haben!
Für Ihre Unterstützung bin ich sehr dankbar.

Anregungen, Beispiele, Kommentare und kuriose Fundstücke sind mir jederzeit willkommen.

Wenn Sie dem Zwiebelfisch schreiben, denken Sie bitte immer daran, Ihrer Mail eine eindeutige Betreffzeile zu geben und Ihren vollen Namen und möglichst auch Ihren Wohnort zu nennen.

Anonyme Einsendungen für die Rubriken "Post an den Zwiebelfisch" oder "Lauter kleine Zwiebelfischchen" können leider nicht berücksichtigt werden.

Eine ausführliche persönliche Beantwortung Ihrer Mail ist mir derzeit leider nicht möglich, aber mein Dank sei Ihnen gewiss!

Herzliche Grüße

Bastian Sick, Hamburg
appelknolli | 28. Apr 2006, 19:58

Der Superlativ heißt…

OberAmmerHammerGAU.

oder wie war das mit Krass, Krasser am Krassesten? :)

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