Der Saft, der uns die Studien verweigert

BITTE BEACHTEN: Ich habe die Geschichte zu Cellagon aurum in meinem Blog Plazeboalarm auf scienceblogs.de 2009 in drei Folgen fortgesetzt: Cellagon aurum: Die zweite Staffel


Alarmstufe Gelb  Das können wir ja überhaupt nicht leiden. Eine Firma verweigert uns die wissenschaftlichen Studien, mit denen sie ihre Produkte bewirbt. (Wie sauer wir sind, seht ihr an der Länge dieses Beitrags, das muss raus.)

Wir gehören zur Vierten Gewalt und Transparanz ist uns ein hohes Gut.

"Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass wir Ihnen die Studie nicht übersenden können, da sie nur für Ärzte und Heilpraktiker vorgesehen ist. Wir bitten um Ihr Verständnis", lautet die Antwort auf unsere Anfrage, die wir über die Firmenwebsite per E-Mail-Maske am Samstag, den 16.9., stellten. Am Montag gab uns eine Mitarbeiterin die Antwort.

Gut, wir hatten uns nicht direkt als Wissenschaftsjournalisten zu erkennen gegeben. Aber das hat unser Mitarbeiter (also ich) dann sofort in unserer Antwort-E-Mail auf die freundliche Absage getan.

Seitdem haben wir von dieser Firma nichts mehr gehört.

Ihr (wir bleiben heute mal beim Du) wollt natürlich wissen, von wem wir reden. Aber der Reihe nach.

Unserem Leser Peter B. war bei Günther Jauchs "Wer wird Millionär?" ein Kandidat aufgefallen, der auf Jauchs Frage nach dem Beruf "Cellagon-Berater" genuschelt hatte (so hat er es uns per E-Mail mitgeteilt).

Auf Nachfrage Jauchs erklärte der Kandidat, das sei das beste Nahrungsmittel, das es gibt.

Jauch roch den Braten, "scherzte noch, er kenne nur Collagen und brach das Gespräch ab", so Peter B.

Aber für unseren Leser begann die Geschichte damit erst.

"Bei einer Google-Recherche finden sich in Foren zig "Fachberater", die auf Anfragen von (potentiellen) Nutzern das Produkt loben und ihre Dienste anbieten" sagt Peter B. Interessant sei auch ein Artikel in der WELT, "der offensichtlich nichts weiter als eine abgedruckte Pressemitteilung ist", bemängelt unser Leser völlig zurecht die journalistische Leistung des Kollegen.

Der Hersteller, die Berner GmbH in Hamburg, präsentiert drei Saftprodukte mit Namen Cellagon aurum, Cellagon vitae plus und Cellagon felice, allesamt Saftkonzentrate, die mit Wasser verdünnt werden.

Es wimmelt nur so von Bioaktivstoffen, Phytaminen und den "Kräften der Natur". Und obwohl schon das Konzentrat Substanzen von "bis zu 40 verschiedenen Obst-, Frucht-, Kräuter- und Gemüsesorten" enthält, hat die Berner GmbH es noch angereichert – mit den üblichen Heilsbringern: Omega-3- und Omega-6-Pflanzenölen, Traubenkernextrakt mit "OPC", L-Carnitin, Co-Enzym Q 10, prebiotischen Ballaststoffen und levitiertem Quellwasser.

Es macht (geistig) fit, hält jung und macht schön, so könnte man die Werbeversprechen zusammenfassen. Eines davon hat die Firma durch zwei Studien belegen lassen, was auch unserem Leser Peter B. direkt auffiel.

Und das hört sich auf den allerersten Blick gar nicht mal so schlecht an, was die Firma zu bieten hat:

Für Cellagon aurum:
Prospektive, randomisierte Verlaufsstudie zur Erforschung der Wirksamkeit eines Nahrungsergänzungsmittels in Bezug auf subjektive Befindlichkeit und Veränderung physischer Risikofaktoren (n= 230)

Originalveröffentlichung:
Grossarth-Maticek, R. (2003), Erfahrungsheilkunde/Acta Medica Empirica (Haug/Thieme Verlag), Band 8/2003, Seiten 499-508.

Für Cellagon felice:
Das renommierte Institut SIT (Skin Investigation and Technology Hamburg) führte die Untersuchung nach folgendem Studiendesign durch: 150 Probanden zwischen 24-78 Jahren, Placebo-kontrolliert*, doppelt blind*, randomisiert*. Gemessen wurde vor der Testmusterausgabe und nach zwei, vier sowie sechs Monaten Anwendung.

Auf genau diese beiden Studien hätten wir gerne mal einen oder zwei Blicke geworfen.

Leser Peter B. lenkte unseren Blick erst einmal auf den Hauptautor der C. aurum-Studie: Grossarth-Maticek, R.

Auf der Seite der Berner GmbH wird er genauer vorgestellt als:

Dr. med. Dr. phil. Dr. h.c. Ronald Grossarth-Maticek
Professor für postgraduierte Studien
Europäisches Zentrum für Frieden und Entwicklung (ECPD) der Universität für Frieden der Vereinten Nationen
Institut für präventive Medizin
D - 69117 Heidelberg

Und nicht nur Peter B. wundert sich, was ein Friedensinstitut mit einem Gemüsesaft zu tun haben könnte.

Über Herrn Ronald Grossarth-Maticek empfiehlt uns Peter B. folgende Seiten. Der Herr Dr. Dr. Dr. scheint nicht nur ein Problem mit Titeln zu haben, er ist offenbar in bestimmten Kreisen kein Unbekannter.

Uns wunderte, was auch den Autoren dieser Seiten zum Institut des Herrn Grossarth-Maticek aufgefallen war:
"Es wäre zu erwarten, dass diese Einrichtungen eigene Websites haben und dass die Website von Grossarth-Maticek (www.Grossarth-Maticek.de) Links zu diesen Websites enthält. Das ist heute zumindest der Minimalstandard. In Grossarth-Maticeks Website findet sich nichts dergleichen (zuletzt geprüft am 5.1.2005)."
Das ist immer noch so. Allerdings leitet er das Institut nicht mehr (wie er auf seiner Homepage mitteilt), sondern "widmet (...) seine wissenschaftliche Tätigkeit (...) dem Zentrum für multidisziplinäre Forschung und Entwicklung präventiver Verhaltensstrategien, ZMF."

Für das ZMF finden wir über Google zwei Einträge: einen auf seiner Seite und ein pdf, das möglicherweise als Webseiten-Ersatz gedacht ist ...

Genug erst mal ...

Also: Wir warten auf zwei wissenschaftliche Studien, wir haben einen Studienleiter, von dem wir einiges wissen, das uns überrascht und uns zu denken gibt. Wir finden, dass sollten wir noch ein wenig verfolgen.

Dank an Peter B.!

Alarmstufe Gelb  Demnächst mehr, hier bei !PLAZEBOALARM!
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Markus883 | 27. Sep 2006, 11:13

marcus_ | 27. Sep 2006, 13:29

Das Feld ist weit, eins nach dem anderen,...

aber danke für den Tipp.
Edwar Wait | 12. Dez 2012, 12:21

Diskreditierung

Warum die Studie eines Mannes schlecht sein soll, weil er sich nicht "Professor, Postgraduate Studies, ECPD" nannte (das hätte er gedurft!), sondern schlicht "Professor" - das bleibt wohl ein Geheimnis dieser Seite und dürfte im Bemühen um suggestive Effekte wurzeln. "Er hat ein Problem mit Titeln", aha ;-)

So oder so, die Studie liegt Ihnen ja nun bereits seit rund 5 Jahren vor und auf Ihre Analyse bin ich gespannt.

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