Fussball

Wie uns ein Aberglaube zum Weltmeister machte

Heute mal wieder ein klassischer "Besserwisser"-Beitrag ...

Wussten Sie schon, dass ein IrrAberglaube dazu führte, dass Deutschland Fußballweltmeister wurde, damals 1990 gegen Argentinien.

Der große Andreas Brehme erzählt noch mal wie es kam, dass er in der 85. Minute den entscheidenden Elfmeter schießen durfte:
"Mir war dann sofort klar, dass ich schießen musste. Es werden immer drei Schützen für ein Spiel festgelegt: Rudi Völler - aber der war ja gefoult worden, und derjenige sollte nie selbst schießen. Dann Lothar Matthäus - aber der fühlte sich nicht gut."
Es hätte auch Rudi Völler schießen können, denn wie wir inzwischen alle wissen, ist diese "Angst des Gefoulten vor dem Elfer" eigentlich unbegründet (zumindest im Profifußball).

In einer Untersuchung der Uni Halle-Wittenberg hatten Forscher 835 Elfmeter in der Bundesliga aus der Zeit '93 bis '05 untersucht. 102 führten die Gefoulten selbst durch.

Sie waren genau so erfolgreich wie die anderen Schützen: Die Gefoulten verwandelten in 73 Prozent, die anderen in 75 Prozent der Fälle. Statistisch betrachtet kein Unterschied.

Die Begründung dafür, warum Andreas Brehme den Elfer schießen sollte, beruhte also auf einem IrrAberglauben. Andererseits, was soll's. Analog zur Weisheit in der Medizin, dass der, der heilt, Recht hat, gilt im Fußball: Wer ihn reinmacht, der wird Weltmeister.

Und: Es schießt der, der sich gut fühlt. Und wer sich nur ein bisschen schlechter fühlt, weil er glaubt, dass der Gefoulte nicht schießen sollte, der lässt es dann auch besser - zumindest im Endspiel einer Fußballweltmeisterschaft.
...........................................................................................

Fußballweisheit Nr. 2574: Du bist raus!

Die Angst des Gefoulten vor dem Elfmeter gibt´s auch nicht. Noch so eine Fußballweisheit, die in die Abstellkammer gehört.

Und weil der Ausgang des Spiels vor allem vom Zufall abhängt, weiß man bald gar nicht mehr, welchen Senf man während der Live-Übertragung eines Spiels zum Besten geben soll, um seiner Kompetenz Ausdruck zu verleihen.

Da kommt uns der Gedanke: Könnte es nicht sein, dass diese vermeintlichen Weisheiten gar nie dazu gedacht waren, der Wahrheit zu entsprechen, sondern eben eher dem kommunikationstechnischen Ziel dienten, im täglichen Wettstreit des Überlebens (am Tresen, Arbeitsplatz o.ä.) am Ende schlicht das letzte Wort und damit die Hoheit über den Biergläsern zu erkämpfen?

Dabei geht es dann immmer nur darum plausible, am Ort der Diskussion als gefühlt richtige Statements zu platzieren. Überprüfen kann sie eh keiner. Es muss nur irgendwie nach Zusammenhang klingen: Der Gefoulte macht den Elfer nicht rein, weil er ja gehandicapt ist, oder durch seine Rachegelüste unkonzentriert.

(Stopp. Da fällt uns ein: Die Elfmetergeschichte wurde bisher nur für die Profiliga gecheckt. Kann also sein, dass sie nicht universell gilt. Aber das nur als Hinweis).

Ansonsten gefällt uns unsere These.

Lasst uns darüber nachdenken.
...........................................................................................

Kahns Gesetz der Serie

Dass Fußballreporter und -moderatoren eine Schwäche für das vermeintliche Gesetz der Serie haben und auf diese Weise eine Menge in diesem Sport zu erklären suchen, darauf haben wir schon verwiesen (und dass Statistik usw. im Fußball wirklich wichtig ist).

Dass das auch für die Akteure selbst gilt, davon sind wir stillschweigend ausgegangen. Und finden jetzt die Bestätigung.

Torwart Titan Kahn erklärt, wie er darauf kommt, dass wir, also die die deutsche Nationalmannschaft, mit ihm Weltmeister geworden wären (nicht weil Lehmann schlecht war):
"Ich bin 1994 mit dem Karlsruher SC im Halbfinale des Uefa-Cups gescheitert, zwei Jahre später habe ich mit dem FC Bayern diesen Pokal geholt.

Ich habe 1999 die Champions League auf brutalste Weise verloren, und dann habe ich sie zwei Jahre später gewonnen, wie man sie nicht schöner gewinnen kann.

Ich habe 2002 die WM im Finale unglücklich gespielt. Diese Logik - und an solche Phänomene glaube ich immer noch - hätte sich bei der WM 2006 fortgesetzt."
Hat er gesagt, im stern, laut Netzeitung.

Schön wie einem Statistik hilft, das Leben, die Welt und den ganzen Rest zu erklären ...

Ob er weiß, dass das da auch noch zehn andere vor ihm auf dem Platz stehen?

Frohes Fest.
...........................................................................................

Alemania Aachen an der Spitze, gähn

Wir könnten ja jetzt nochmal über das Thema, diesmal mit Alemania Aachen, aber es ist spät und Samstagabend, und wir sind müde.

Dass Sporschau-Delling nicht widerstehen konnte, war klar. Aber dass selbst die Tagesschau ...

Nehmt´s uns nicht krumm, aber wir finden das einfach zu blöd.

Gehabt Euch wohl.
...........................................................................................

Die Weisheit des Nationaltorwarts vor dem Elfer

Von Sportreportern haben wir hier ja eine gesonderte Meinung. Was Fußballspieler angeht, stehen wir erstmal auf dem Standpunkt: "Wir erwarten nichts, dann freuen wir uns nachher um so mehr." (Die sollen schließlich Fußball spielen und nicht die Welt und schon gar nicht die Wissenschaft erklären).

Und genau das ist gestern abend passiert: Wir freuten uns, weil ein Fußballer die Welt in einem kurzen Satz auf den Punkt brachte. Nicht die Welt im Allgemeinen, sondern schon einen Ausschnitt, der für uns hier bei Plazeboalarm relevant ist.

Nationaltorwart Jens Lehmann brachte die Wirkungsweise eines "Plazebo" in wenigen Worten aber sowas von auf den Punkt, dass uns die Kinnlade absackte.

Gestern abend bei Johannes B. Kerner:

Lehmann: Kaugummi kauen fördert die Konzentration.

Kerner: Ist das bewiesen? Ich meine ...

Lehmann: Äh, ich glaube, ja. Das ist bewiesen. (UND ACHTUNG JETZT) Aber, ähm, (Ansatz zu einem leichten Grinsen) wichtig ist ja, dass ich es glaube.

Schön, oder?
...........................................................................................

Beckmann und der billige Trick

Das ist jetzt wirklich blöd, aber einer muss es ja mal machen.

Warum nur? Warum arbeiten Sportseiten, -ressorts und -sendungen immer wieder mit diesem billigen Trick?

"Gladbach spielt sich an die Tabellenspitze"

Jaaaa ...! strike

Gladbach Erster, ein billiger Trick ...

Nach dem Sieg der (seit der Kindheit geliebten) Fohlen vom Ex-Bökelberg gegen Dortmund steht die Borussia heute tatsächlich auf Platz eins der Bundesliga-Tabelle. Dass wir das nochmal erleben dürfen ...

Eigentlich eine Meldung wert, die große Teile Fußball-Deutschlands verzücken könnte. Aber im Bruchteil einer Sekunde kommt die Ernüchterung: Na ja, ist ja auch keine Kunst, haben ja auch ein Spiel mehr. Die anderen spielen heute nachmittag noch.

Ein klassischer Fall einer Aussage, die eigentlich keine ist, wegen Nicht-Vergleichbarkeit. Die Ansage ist nichts wert, weil sie Äpfel und Birnen vergleicht. Gladbach: 5 Spiele, Hertha: 4 Spiele, Nürnberg: 4 Spiele ...

Und trotzdem wird ihr auch Monica Lierhaus heute in der Sportschau nicht widerstehen können ...

Wetten?

(Bei Beckmann wären wir uns hundert Prozent sicher, aber sowas von hundert Prozent.)

(Warum wir das erwähnenswert finden? (siehe auch oben) Damit es einfach mal irgendwo steht. Ist ein schönes, einfaches Beispiel für eine Aussage, die auf einem unsinnigen Vergleich beruht.

Habt Ihr Euch noch nie darüber geärgert, dass Sportmoderatoren, -kommentatoren und -journalisten sich immer wieder zu dieser tatsächlich blöden Aussage hinreißen lassen? Achtet mal drauf. Schließlich bestätigt es unser Vorurteil, das viele Kollegen im Sport Statistik irgendwie verwenden, um Zuschauer zu beeindrucken, auch wenn häufig nichts dahinter steckt.
)

Genug gemäkelt. Wir sehen uns um 18:30 Uhr.

Nachtrag:
Monica Lierhaus konnte dem billigen Trick eines künstlichen Spannungsbogens nicht widerstehen: "Damit ist Gladbach - zumindest für 19 Stunden - Tabellenführer. Und die Hertha (die waren bisher Tabellenführer) ..." Da haben wir schon nicht mehr zugehört.

Schade, Frau Lierhaus.
...........................................................................................

NATÜRLICH WERDEN WIR WELTMEISTER

Heute verbinden wir endlich die beiden großen Themen der letzten Tage: die Zahlenmystik des 06.06.06 und das große Fußballfest, äh, nochmal, das große Fußballfest mit der einzig möglichen Vorhersage:

DEUTSCHLAND WIRD WELTMEISTER.

Warum? Das kann man einfach berechnen, wie uns jeder Freund der Numerologie und Zahlenmystik bestätigen wird.

Das Jahr unseres ersten Weltmeisterstitels mal dem Jahr unseres zweiten Weltmeistertitels minus dem Jahr des dritten Weltmeistertitels ist gleich? Eben.

Hier nochmal in Ziffern:

54 x 74 - 1990 = 2006

Das ist Magie, oder? Da ist Kabbala nix gegen.

Und wir können das Ergebnis noch absichern (Wer sind wir, dass wir unseren eigenen Ansprüchen nicht genügten):

Der Altersdurchschnitt aller Weltmeistermannschaften seit 1930 ist 26 Jahre und 11 Monate.

Und welche Mannschaft hat genau und ganz alleine diesen Altersdurchschnitt? Genau. Unsere Jungs. (Gott sei Dank ist Kahn mitgekommen ...)

(Was? Ob das am Anfang der WM oder am Ende der WM der Fall ist? Oder ob das der Durchschnitt jeder Weltmeistermannschaft oder aller Weltmeistermannschaften zusammen ist? Oder nur der elf Spieler des Endspiels oder aller Nominierten? Du willst aber auch kein Weltmeister werden, oder? Was, kritisch hinterfragen? Sind wir hier bei Plazeboalarm, oder was? Fällst Du uns in den Rücken, dann wissen wir ja, warum das am Ende dann doch nicht geklappt hat, Freundchen. Pass uns gut auf. Wir sehen dich, wir haben dich im Auge. Jetzt bete aber, dass wir Weltmeister werden.)


Zusatz:
Wer wissen will, woher wir die beiden Berechnungen haben, der kann sich ja bei uns melden. Wir möchten niemanden in Verlegenheit wegen seines Faibles für Numerologie bringen.

(Wer´s genau wissen will: Bitte hier mal linke Spalte Aktuelle Sendung unter Web-TV nachsehen, im Flash-Player dann im linken Menue unter "So werden wir Weltmeister".)

Nachtrag 1:
Noch mehr arithmetische Gründe, warum wir Weltmeister werden, liefert heute Christian Gödecke auf Spiegel Online.

Er ist sichtlich angetan von den erstaunlichen Mustern, die sich auftun, wenn man nur genau hinsieht:
Dabei sind es mehr als Indizien, die dafür sprechen, dass es am Ende tatsächlich reicht - die Parallelen zu den vergangenen beiden Titeln sind einfach zu verblüffend.
Auch er setzt auf das Gesetz der Serie, das in diesen Tagen häufig bemüht wird:
Und auch die Erkenntnis der Empirie ist: Es wird 2006 zum Titel reichen. Statistisch alle viereinhalb Weltmeisterschaften steht am Ende die DFB-Elf bei der Siegerehrung ganz oben.
Das Gesetz der Serie bei Eröffnungsspielen wird heute abend hoffentlich mal durchbrochen. Denn wie sagte ARD-Sportreporterin Monica Lierhaus gestern in den tagesthemen zum erhofften Schützenfest:
Wenn man in die Statistik schaut, dann darf man nicht zu viel erwarten, denn seit 1966 gab es fast immer ein 0:0 oder gerade mal ein 1:0
Wir glauben nicht an das Gesetz der Serie!

Nachtrag 2:
Na also! 4:2. Was haben wir gesagt: Vergesst das Gesetz der Serie.
...........................................................................................

Rote Karten machen Sieger

Und schnell noch was für den nächsten Fußball-Stammtisch, bei dem ja auch immer wieder gerne diskutiert wird, ob eine Rote Karte eine Mannschaft schwächt (weil weniger Spieler), oder sogar stärkt, weil es bei jedem einzelnen noch die letzten Reserven herauslockt und diese dann praktisch wie zwölf Mann spielen.

Es gibt ja einige klassische Beispiele, bei denen zehn Mann die andere Elf doch noch niedergerungen haben (auch wenn uns jetzt gerade kein Beispiel einfällt, aber die gibts).

Wie auch immer: eine fundierte Antwort, wem die Rote Karte einen Vorteil oder einen Nachteil bringt, liefert heute das DIW.

So viel vorab: Es kommt darauf an, wann die Rote Karte gegeben wird.

Mehr dazu hier.
...........................................................................................

Weniger Tore, besseres Spiel

Weil wir gerade bei Fußballstatistiken sind: Da weist uns doch wisskomm.de in seiner täglichen Presseschau auf einen interessanten Artikel zum Thema hin.

Thomas de Padova erklärt im Tagesspiegel mithilfe des vor vier Jahren verstorbenen Paläontologen und Evolutionsforschers Stephen Jay Gould, warum der Fußball in den letzten hundert Jahren immer besser geworden sein kann, obwohl alle Torstatistiken dagegen sprechen (es wurden nämlich immer weniger).

Mal wieder ein Beleg dafür, dass reine Zahlensammellei auch nichts bringt, wenn sie kein kluger Kopf zu sehen bekommt.

In dem Zusammenhang legen wir dem geneigten Leser Goulds Buch "Illusion Fortschritt" (nein, kein Amazon-Link) ans Herz. Es geht zwar um Evolution, aber es beginnt mit Baseball-Statistiken und lehrt einen, dass Mittelwerte und Mediane immer nur ein Teil der Wahrheit sind (wenn überhaupt).

Uns verschaffte es ein Aha-Erlebnis. Das wollten wir Euch nicht vorenthalten.
...........................................................................................

Placebo für Fußballfans?

Kerner, Johannes B. wollte uns nur trösten nach der gelungenen Niederlage gegen Weltmeister Brasilien im Confed-Cup Halbfinale: „Aber“, so seine samtweichen Worte,“noch nie ist ein Confed-Cup Meister auch Weltmeister geworden.“ Puh, zum Glück haben wir verloren. Danke, Dr. Kerner.

Jedoch, kann diese Pille uns wirklich therapieren? Oder nicht ganz so metaphorisch gesprochen: Kann man diese implizite Vorhersage wirklich machen? Reicht die Zahl der vergangenen Konföderations-Meisterschaften aus, um den Zufall in dieser Geschichte auszuschließen?

Hiermit unser Aufruf an alle Leser: Helft uns Johannes B. Kerner als statistisches Ass oder als medizinischen Scharlatan zu entlarven.

Hat die Kerner-Aussage: ‚Noch nie ist ein Confed-Cup Meister auch Weltmeister geworden.’ irgendeinen prognostischen Wert? Welche Daten bräuchte er dazu? Welche statistischen Verfahren hat er wohl verwendet? Wer kann uns helfen?

Gentlemen: An die Rechner!
...........................................................................................

Status

Online seit 6930 Tagen
aktualisiert: 12. Dez, 12:22
... login

Suche

 

Aktuelle Beiträge

Diskreditierung
Warum die Studie eines Mannes schlecht sein soll, weil...
Edwar Wait - 12. Dez, 12:21
Na, wo ist die Kritik?...
Mir liegt die Studie aus dem Jahr 2003 ebenfalls vor,...
Edwar Wait - 12. Dez, 12:10
Sollen wir den Saft kaufen...
BITTE BEACHTEN: Ich habe die Geschichte zu Cellagon...
marcus_ 6. Nov, 13:53
Sollen wir den Saft kaufen...
BITTE BEACHTEN: Ich habe die Geschichte zu Cellagon...
marcus_ 6. Nov, 13:51
Der Saft, der uns die...
BITTE BEACHTEN: Ich habe die Geschichte zu Cellagon...
marcus_ 6. Nov, 13:50
Cellagon 2: Eine Studie...
BITTE BEACHTEN: Ich habe die Geschichte zu Cellagon...
marcus_ 6. Nov, 13:45
Wie Placebo wirklich...
Mit Gruß tom-ate
tom-ate - 21. Apr, 21:45

Credits