GMX Gesundheit: Redaktionell oder werblich?

Mal eine Frage (manche werden Sie rhetorisch nennen):

Gilt für die Webportale der E-Mail-Provider eigentlich auch das journalistische Gebot, wonach redaktionelle Inhalte und werbliche Inhalte klar von einander getrennt sein sollen (müssen)?

Offenbar nicht. Anders können wir uns das gar nicht erklären, dass wir auf dem Themenportal (Nachrichtenportal) von gmx.de zu unserer Überraschung immer wieder zwischen all den Meldungen auf nicht gekennzeichnete werbliche Inhalte stoßen. Wir von Plazeboalarm.de haben uns natürlich nur den Gesundheitskanal angesehen.

Und wir waren durchaus überrascht, als wir mitten in einem Quiz zum Thema "Rauchen" (Teaser: Macht Rauchen wirklich impotent? Kann Nikotin wirklich töten? Testen Sie sich im Qualm-Quiz) neben Wissensfragen wie dieser ... :

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gmx1
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... auch nach einer neuen Nichtraucherpille gefragt wurden:

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gmx2
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Eigenartig. (Offenbar doch keine Werbung, siehe Nachtrag 3, unten)

Uns wunderte auch Folgendes: In der Themenübersicht taucht ein Hinweis auf einen Artikel auf zum unangenehmen Thema Inkontinenz. Schon im Teaser wird auf Hilfe aus der Apotheke verwiesen, sogar mit dem Zeichen, dass darauf hinweist, dass es sich um einen registrierten Produktnamen handelt. (Siehe im Bild rechts).

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gmx3
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Wer dem Verweis folgt, der landet auf einem Artikel (der aussieht wie die redaktionellen Artikel von Agenturen wie der dpa) über Inkontinenz und Reizblase, gegen die aber zum Glück ein Kraut gewachsen ist. Im Text heißt es ganz beiläufig aber schön gefettet, damit man es auch deutlich sieht:
"... Die akuten Beschwerden lassen sich oft am besten mit dem Extrakt aus Goldrutenkraut z.B. Urol flux in den Griff bekommen ..."
(Fettung wie im Original, es fehlt das Sonderzeichen für registrierte Produktnamen, das wir hier irgendwie nicht einbauen können).

Wenn man wissen will, von wem der Text stammt, muss man in das "Anbieter-Impressum" ganz links unten schauen: Der Link bringt einen auf die Webseite des Herstellers von Urol, der Pharmafirma Apogepha Arzneimittel GmbH in Dresden.

Ist doch nett: da weiß man wenigstens, wo es herkommt.

Da brauch man auch keinen Hinweis, dass das alles kein journalistisches, sondern ein werbliches Angebot ist, bei man nicht erwarten kann, dass die Informationen ausgewogen und vor allem unabhängig sind.

Oder reicht da schon der Hinweis rechts oben auf der Seite, dass es sich um ein Angebot von Urol (lux forte, flux Brause, pros) handelt?

Vielleicht sollten wir einfach mal nachfragen? Und wie sieht das bei web.de aus, der United Internet-Schwester von gmx?

Der Themenchannel sieht genauso aus. Eine bunte Mischung aus Gesundheitsartikeln verschiedenster Anbieter wie Nachrichtenagenturen (z.B. AFP, dpa u.a.) und werblichen Angeboten, die aber nicht als solche gekennzeichnet sind (wie der Rauchertest: "Macht Rauchen wirklich impotent?).

Aber unter uns: Wer informiert sich schon auf solchen Seiten?

Nachtrag 1
So hört sich das bei United Media an, wenn Kunden überzeugt werden sollen, Werbung innerhalb der Themenchannels zu platzieren:
"Durch integrative Werbeformen lassen sich Ihre Werbebotschaften in beliebiger Informationstiefe besonders nachhaltig und mit hoher Akzeptanz präsentieren. Nutzen Sie die Vielzahl unserer redaktionellen Umfelder für die zielgenaue Kundenansprache.

Clever "verpackt" liefern Integrationen die Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit informativer Beiträge. Ihre Werbung wird dabei so präsentiert, dass der Konsument sie gerne liest und sich mit den Inhalten beschäftigt - im Kern aber steckt das Hard Selling!
"
"Clever verpackt" gefällt uns natürlich besonders gut ...

Nachtrag 2:

In der Preisliste für Werbekunden heißt das übrigens:
"Advertorials und Text-Module
Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit - werbliche Integrationen mit Informationstiefe satt.
"
Der Gesundheitschannel fällt bei gmx und web.de in die Preisklasse 2 (gemeinsam mit 'Auto'): 19.000 Euro/Monat.

Nachtrag 3:
Kommando zurück, zumindest was den werblichen Charakter der Quizspiele angeht. Wir haben uns noch ein paar andere Quizspiele auf der GMX-Seite angesehen. Zumindest im Quiz über Schnupfen und über Verhütung stießen wir nicht auf Produktnamen. Im Schnupfen gab es zwar die Frage, was als pflanzliches Antibiotikum bezeichnet werde (Umkulabao), aber das kann auch Zufall sein.

Oder arbeiten die subtiler als uns bewusst ist?
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Stefan Jacobasch | 12. Mai 2007, 13:45

GMX-"Nachrichten"

Das ist gut beobachtet! Ich selbst habe auch noch ein GMX-Konto, lese aber nie die "Nachrichten" dort. Ich würde GMX auch keine Kompetenz in diesem Bereich zutrauen. Das dürfte auch die Mehrheit der GMX-User so sehen (ist jedenfalls meine stille Hoffnung; man soll die Intelligenz der mittlerweilen mediengeschulten Menschen ja nicht unterschätzen).
marcus_ | 12. Mai 2007, 14:27

Ich lese die auch nie, aber ...

wir sind Medienprofis (wenn man so will) und wir wissen wo man gucken muss. Wir erkennen das ja auch als eindeutig werbliche Seite. Aber wir lesen ja auch nicht die BILD-Zeitung, aber ein paar Millionen andere Menschen tun das.

United Internet schreibt selbst auf seiner Webseite:
http://united-internet-media.de/807.html

"Für United Internet Media belegt der erneute Ausweis in der Spitzenposition durch die Zahlen der aktuellen internet facts 2006-III, dass der inhaltliche Ausbau der Portfolio-Marken von den Nutzern sehr positiv aufgenommen wird..."
blogger.de:strappato | 12. Mai 2007, 21:07

Da sollte man noch ein wenig unterscheiden. Das Urol-irgendwas ist ein nicht-verschreibungspflichtiges Medikament, für das Werbung auch ausserhalb der Fachkreise gemacht werden darf. Vareniclin (Champix®) ist rezeptpflichtig. § 10 Heilmittelwerbegesetz:
(1) Für verschreibungspflichtige Arzneimittel darf nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben, geworben werden.

Die Bemühungen, durch das Internet diese Beschränkungen im DTC-Marketing zu unterlaufen (die übrigens europäische Richtlinie sind und in ähnlicher Form in fast allen EU-Ländern gültig sind) sind überall zu sehen.
marcus_ | 13. Mai 2007, 09:13

Dass für die beiden Mittel geworben wird,

ist gar nicht unser Kritikpunkt, sondern die Art wie redaktionelle und werbliche Inhalte vermischt werden und die Werbung nicht klar gekennzeichnt ist.

Vor allem das Quiz ist ja eigentlich besonders dreist, auch wenn UI das "clever" nennt.
blogger.de:luto | 13. Mai 2007, 03:42

Zuviel Geld

Wow, die Pharmaindustrie hat wohl zuviel Geld. Abgesehen davon, dass sich Urol(R) zumindest bei uns so gut wie nicht verkauft und Champix(R) bisher auch nur ein Nischendasein fristet. Aber vielleicht kaufen die Leute das auch alles bei DocMorris :-)

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