Späte Party

Da müssen im Paul Scherrer Institut die Sektkorken geknallt haben: Zwei superschwere Elemente entdeckt, vermeldeten die Schweizer am 31.1.2006. Und sorgten für ein bisschen Verwirrung (siehe unser Meldung vom 2.2.2006).
Einige Medien (etwa die F.A.Z. und die Berliner Zeitung) prosteten den Forschern aus Villigen/Schweiz eifrig zu. Schließlich ist die Entdeckung neuer chemischer Elemente eine herausragende wissenschaftliche Leistung. Dem Entdecker der Elemente 113 und 115 gebührt Ruhm, und er darf diese beispielsweise nach seinem Heimatstädtchen benennen (siehe Darmstadtium, Dubnium).

Doch manche Wissenschaftler rieben sich die Augen: War die Party nicht schon vorbei? Feierte man nicht schon vor zwei Jahren? Wie unsere Recherche ergab entdeckte schon 2003 ein amerikanisch-russisches Forscherteam im russischen Dubna Hinweise auf die Elemente 113 und 115. Diese wurden Anfang 2004 publiziert und gefeiert: Der Cern Courier freute sich Superheavies extend periodic table to 115, die beteiligten Amerikaner meldeten Element 115 Has Been Discovered und auch die Russen gratulierten sich hier und hier (man muss in den russisch-englischen Dokumenten nach "115" suchen). Kurz: Jeder schlug sich heftig auf die Brust.

Was die Mitteilung des Instituts uns vorenthielt, schob Heinz Gäggeler, einer der beteiligten Wissenschaftler des Paul Scherrer Instituts (PSI) jetzt nach: Es handelt sich eigentlich um zwei Experimente. Um die Entdeckung von 2003 wasserdicht zu machen, luden die Forscher des ersten Experiments die Schweizer ein. "The later experiment intended to perform this confirmation using chemical techniques. This experiment was conducted in Dubna upon invitation by the team from the first experiment (!)", antwortet Gäggeler einer Anfrage der Zeitschrift Physics World und Plazeboalarm.

Bis zu diesem Punkt liebäugelten die Schweizer noch mit dem Entdeckerstatus. Doch als dann am 8. Februar die Neue Zürcher Zeitung das Thema mit dem Titel Bestätigung für die Existenz der Elemente 115 und 113 aufgriff - eine Wortwahl und Feststellung, die auch wir angemahnt hatten - räumte Gäggeler ein, "ich bin ebenfalls sehr unglücklich über die Headline der PSI Pressemitteilung - sie war viel zu reisserisch und ging an den Tatsachen vorbei!" (Allerdings hatte der PSI-Pressechef zuvor schon in einer E-Mail geschrieben, dass Gäggeler "die fachliche Kompetenz vertritt und die Pressemeldung so genehmigt hat.")

Bleibt die Frage, wieso das Paul Scherrer Institut genau am 31.1.2006 diese "Entdeckermeldung" heraus gibt und kräftig die Werbetrommel rührt. Die Neue Zürcher Zeitung versucht eine Antwort: "Auch wenn die Schweizer Forscher sicherlich nicht die Entdecker der Elemente 115 und 113 sind, könnte ihr Beitrag in Zukunft noch eine gewichtige Rolle spielen. Nur wenige Monate nach den Experimenten in Dubna ist es nämlich auch japanischen Physikern gelungen, einige Atome des Elements 113 zu synthetisieren. An der nächsten Sitzung der Iupac soll nun über die 'Rechte' an Element 113 und anderen superschweren Elementen entschieden werden. Bis zum 1. Februar 2006 hatten die verschiedenen Gruppen Zeit, ihre Ansprüche anzumelden. Mit Bedacht haben die russischen und amerikanischen Physiker jene Arbeit bei der Iupac eingereicht, auf der die PSI- Forscher als Mitautoren erscheinen."

Naja, vielleicht kommt so doch noch Villigen die Ehre, Namenspatron von Element 113 oder 115 zu sein.
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