Kritischer Oralsex

Warum gefällt uns wohl diese Version der "Oralsex macht Mundkrebs"-Geschichte (natürlich aus rein professionell-journalistischer Sicht) besser, als diese.

Die Titel verraten schon viel, oder?:

Wie Oralsex zur Todesgefahr aufgebauscht wird

heißt es bei dem einen.

Oralsex unter Krebsverdacht

beim anderen.

Ein schönes Beispiel für uns alle aus der Zunft, wie unterschiedlich Geschichten ausfallen können. Gründe gibt´s dafür natürlich so viele wie Sterne am Nachthimmel.
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martin_ | 11. Mai 2007, 15:02

Sex sells..

und deshalb fand die Studie auch überregionale Beachtung. Auch weil's im renomierten NEJM stand. In unserer Redaktion wollte keiner drüber schreiben. Also habe ich's getan. Dass 72 von 100 Personen den Virustyp HPV-16 im Mund hatten, fand ich schon signifikant. Dass ein Ausbruch der Erkrankung er selten ist, das Risiko also gering, sollte auch erwähnt sein. Für eine Pilotstudie fand ich die Fragestellung Oralsex - HPV - Mundkrebs durchaus legitim. Dass Markus Becker für Spiegel online alles nochmal gegen den Strich bürstet, ist prima, hat für mich aber auch ein Geschmäckle: Er sext das Thema nochmal auf und kämpft für das Recht auf Oralsex für jedermann und -frau. Das kommt bei der lüsternen Leserschaft gut an ;-)
marcus_ | 11. Mai 2007, 15:34

Ich finde Beckers Version deshalb so gut,

weil er die Sache komplett auf den Kopf stellt. In den normalen Beiträgen denkt der Leser/die Leserin (Achtung, etwas schlüpfrig"): "Oh, muss ich jetzt wohl besser aufpassen." Oralsex könnte gefährlich sein. Damit wird mit dem Gedanken gespielt, dass jeder der Oralsex hat Mundkrebs bekommen kann (und zwar wahrscheinlich sogar).

Dadurch aber, dass man es umdreht, wird klar: So gut wie kein Mensch bekommt Mundkrebs, selbst mit Oralsex bei mehr als fünf verschiedenen Personen.

Außerdem wichtig der Hinweis: Das Virus wird nicht nur beim Oralsex übertagen.

Grundsätzlich gefällt mir außerdem das Auseinanderklamüsern der Statistik.
mow | 11. Mai 2007, 15:12

Und ich dachte, vom Oralsex bekommt man Blasen.
;-P SCNR.
hockeystick | 11. Mai 2007, 18:48

Nach dem unsäglichen Übergewichts-Artikel auf SpOn von Holger Dambeck ("Deutsche haben in Moppel-Liga den Bauch vorn") ist der Artikel von Becker tatsächlich wieder mal ein Lichtblick.

Die Süddeutsche fällt mir bei Wissenschaftsthemen zunehmend negativ auf. Ich erinnere nur an die Handystrahlen-Falschmeldung vom Januar. Interessant übrigens die Rolle der Tabakindustrie in diesem Forschungszweig.
marcus_ | 11. Mai 2007, 19:05

Tabakindustrie und Handystrahlung?

äh, erzähl doch mal ... oder habt ihr das bei boocompany schon verbraten (oder strappato?)

Fütter mich doch mal an, der ich ja auch für die große Münchner Zeitung schreibe ...
hockeystick | 11. Mai 2007, 19:10

Als Einstieg vielleicht mal hier gucken:
http://www2.boocompany.com/index.cfm/content/story/id/14757

auch den im Header verlinkten Artikel aus dem Ärzteblatt anschauen, und dann evtl. mal nach "Handystrahlen Adlkofer" oder "Handystrahlen Verum" googeln. :-)

Adlkofer hat übrigens ein bemerkenswert entspanntes Verhältnis zur Wahrheit, mit dem er sich noch deutlich von vielen seiner weißbekittelten Kollegen abhebt:

Asked for a possible conflict of interest, I declare categorically that I am not in any way, financially, economically, or otherwise, linked to the cigarette industry.
Prof Dr F. Adlkofer
Berlin, Germany

http://www.circ.ahajournals.org/cgi/reprint/97/18/1870.pdf

Dazu bemerkt ein engagierter Nichtraucherschützer auf seiner Webseite zutreffend:

Tatsache ist, daß Adlkofer seit mehr als 25 Jahren der führende wissenschaftliche Vertreter der deutschen Zigarettenindustrie ist. Er war langjähriger Leiter der wissenschaftlichen Abteilung des Verbandes der Cigarettenindustrie (mindestens von 1976 bis 1996) und hat in allen wissenschaftlich orientierten Einrichtungen dieses Verbandes eine Spitzenposition (Geschäftsführer/Sekretär) eingenommen:

1. Forschungsgesellschaft Rauchen und Gesundheit mbH, Hamburg

2. Forschungsrat Rauchen und Gesundheit (1972-1992)

3. Stiftung Verum (Verhalten und Umwelt), München (seit 1992)

4. Biologisch-analytisches Forschungslabor, Prof. F. Adlkofer, München (seit 1992)

http://www.nichtraucherschutz.de/NRI/33/nrinfo33-Franz.html

Ob die Süddeutsche Zeitung auch schon auf den Mann reingefallen ist? Na logisch.
http://www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/881/15866/

Aber vielleicht könnt ihr das Stück ja bei der Konkurrenz unterbringen :-)

Noch was: Die Grundidee, durch das hochjazzen einer angeblichen Elektrosmog-Gefahr von den Gefahren des Rauchens abzulenken, wird von der Tabaklobby schon seit Jahrzehnten verfolgt. In den USA gibt es z.B. eine zumindest zeitweise sehr tabakindustrienahe Konstruktion namens EPA
http://tobaccodocuments.org/pm/2026091307-1308.html

die dieser Frage z.B. 1990 nachgegangen ist:
http://tobaccodocuments.org/rjr/509737432-7868.html

Das ist aber nur eines von tausenden einschlägiger Dokumente zu dieser Strategie:
http://tobaccodocuments.org/all/documents.php?pattern=%22electromagnetic+fields%22

Besonders lustig finde ich in dem Zusammenhang dieses Dokument:
http://tobaccodocuments.org/pm/2063616629-6642.html

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