VIROXX 3: Klar soweit

Okay, wir geben zu, wir sind zeitlich etwas in Verzug, was das Auseinandernehmen des VIROXX-Luftsterilisationsgerätes gegen mutierte Vogelgrippe-Viren angeht. Aber was sollten wir es im Sommer bringen, wenn die Geflügelpest sowieso kein Thema ist.

Dafür nehmen wir uns jetzt auch etwas mehr Zeit und eine Menge Platz.

Aber zunächst:
Was bisher geschah, geschah.

Alarmstufe Rot!  Lassen wir einfach mal beiseite, dass die Kobra-biotechnic GmbH aus Pinneberg Werbung mit einer Gefahr machte, von der damals niemand wusste und heute auch nicht weiß, ob Sie überhaupt jemals auftreten wird (es war einfach der Zeitgeist, damals im Februar 2006). Dass die Firma es tat und immer noch tut, finden wir an sich schon bemerkenswert.

Die Bild am Sonntag fand, es ist ein Beispiel für "miese Geschäfte mit der Angst" (nur noch bei Bildblog) und hat sich inklusive des Bildblogs Ärger eingehandelt.

Wir fanden, dass man einer Firma, die nach unseren Recherchen die Domain www.H5N1.de im Netzt belegt und auf die Firmenseite lenkt, durchaus unterstellen kann, von der damaligen Hysterie profitieren zu wollen.

Aber nehmen wir doch einfach mal an: Es ist ein Virus entstanden (wie mag es wohl heißen?), das dem Menschen gefährlich werden könnte, weil es sich beim humanen Grippe-Virus die entscheidenden Genstücke besorgt hat (Klingt jetzt fast wie der Plot für ein PRO7-Wissenschaftsdrama á la Tornado - Zorn des Himmels oder ein Gallileo-Special, brr...)

Schützt uns VIROXX 1000, der mobile Raumluftsterilisator der Kobra-biotechnic GmbH aus Pinneberg, wenn man ihn in Arztpraxen, Gemeinschaftsräumen oder auch zu Hause aufstellt?

Schlagkräftiges Argument der Firma ist eine Untersuchung des Institutes für Virologie der Uni Marburg an SARS-Viren (Was war denn das noch?). Kurz gesagt bestand der Versuch darin, die Keim tötende Technologie wenige Zentimeter über eine Petrischale zu halten, in der eine Suspension mit SARS-Viren enthalten ist. Ergebnis der Untersuchung: Die Viren wurden abgetötet. Finden wir überzeugend.

Nur: Wir haben Herrn Hans-Dieter Klenk, den Direktor des Institutes für Virologie der Uni-Marburg, gefragt, inwieweit ein Test mit einer Suspension aussagekräftig ist, wenn man doch zeigen will, das Keime in der Luft (in Aerosolen) abgetötet werden. Seine erste Antwort:
"Ihre Frage ist berechtigt. Wir haben die Wirksamkeit der Methode bei Virussuspensionen nachgewiesen. Aerosole wurden nicht untersucht. Es bleibt also offen, ob sich das Verfahren zur Luftreinigung eignet."
Auf die Nachfrage, ob es nicht unrealistisch sei, mit einem solchen System Infektionen in Räumen zu verhindern, meint er dann aber:
"Da das Virus aerogen übertragen wird, ist die Luftreinigung in einem geschlossenen Raum (z. B. Flugzeug) schon von Interesse."
Mhm. In einem Flugzeug. Von Interesse. Klingt für uns nicht so richtig überzeugend, oder? Aerogen wird das Virus zwar auch übertragen, ... dazu später mehr. Okay, in seinem Labor wurde die Auftragsarbeit durchgeführt.

Festzuhalten ist aber: Getestet wurde die Viren-tötende Technologie, nicht der Raumluftsterilisator als Ganzes.

Die Idee hinter dem Raumluftsterilisator: Er saugt die Raumluft an, führt sie an der Viren tötenden Technologie vorbei und macht den Krankheitserregern damit ein Ende. Klingt plausibel, aber ... (wir kommen zum Kern des Ganzen).

... aber was, wenn die Luft in der Arztpraxis, dem Gesellschaftsraum oder dem Partykeller gar nicht mit Viren geschwängert ist, weil die Viren gar nicht in der Luft hängen bleiben (um es mal ganz vereinfacht darzustellen)?

Eine Grippe oder die Geflügelpest fängt sich ein Mensch oder ein Geflügel ein, weil man Kontakt hatte mit einem Virenträger oder zum Beispiel von einem Virenträger angeniest wurde (Tröpfcheninfektion). Das heißt, das Virus sitzt auf Türklinken oder auf Händen oder Schnäbeln oder im Speichel. Die Raumluft ist nicht erfüllt von Viren-Schwaden, die nur darauf warten, dass ein potenzielles Opfer vorbei kommt und sie einatmet.

Dass sich die Sache so verhält wie wir hier beschreiben, und damit mit einem Luftsterilisator nicht wirklich gut bekämpft werden kann, haben uns auch ein paar Wissenschaftler bestätigt, zum Beispiel Peter Heeg, Professor am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Uniklinik Tübingen.
"Sie haben vollkommen recht. Das Verfahren an sich mag gegen luftgetragene Krankheitserreger durchaus wirksam sein, das sagt allerdings nichts darüber aus, ob es sich um eine epidemiologisch sinnvolle Maßnahme handelt. Töpcheninfektionen werden über kurze Distanzen übertragen (max. 1,5 - 2 m). Es gibt daneben die echte luftübertragene Infektion durch sog. Tröpfchenkerne (d. h. der Wasseranteil der Tröpchen verdunstet und das verbleibende feste Partikel mit dem Erreger verbleibt noch längere Zeit in der Luft); man hat das für die Tuberkulose diskutiert, für die Influenza meines Wissens nicht, weil ungeschützte Paramyxoviren auch nicht sehr stabil sind."
Auch Heinz-Joern Moriske, Wissenschaftlicher Direktor der Fachgruppe Gesundheitsbezogene Exposition, Innenraumhygiene des Umweltbundesamtes in Dessau gibt uns Recht:
" ... Ihre Anmerkungen zum Übertragungsweg einiger Viren und Bakterien sind zudem vollkommen richtig. ... Das bedeutet nicht, dass es nicht möglich ist, z.B. über den Einsatz von Sterilfiltern selbst kleinste Partikel und Mikroorganismen aus der Luft zu filtern, eben aber nicht alle und in Wohnungen wird die Luft dadurch ohnehin nie vollständig "steril"."
Das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin antwortet kurz und knapp auf unsere Anfrage:
"Von Seiten des Robert Koch-Instituts bestehen keine Empfehlungen zum Einsatz derartiger Geräte ... "
Um sich vor Krankheitserregern wie den Influenza-Viren oder auch MRSA (ein echtes Problem in Krankenhäusern) zu schützen, raten alle inklusive des RKI das, was auch Herr Heeg rät:
"Wirksame Maßnahme zur Infektionsprävention sind ... Masken, Händewaschen/Händedesinfektion und im Medizinbereich die Verwendung von Handschuhen. Von einem Luftentkeimungsgerät würde ich mir bei der Influenza so wenig erwarten wie bei MRSA."
Fazit: Die Technologie des VIROXX 1000 mag Viren abtöten, auch welche, die es noch gar nicht gibt (belegt ist nur das SARS-Virus). Ob es aber geeignet ist, im Falle einer Epidemie durch ein mutiertes Vogelgrippe/Geflügelpest-Virus, Menschen vor Ansteckung in Räumen zu schützen, bezweifeln wir (und nicht nur wir). Der von der Firma vorgestellte Test reicht jedenfalls nicht aus, um das zu beweisen.

Und weil man schon gar nicht bekämpfen kann, was es nicht gibt, die Firma aber totzdem dafür Werbung macht, gibts von uns aus tiefstem Herzen ein markerschütterndes
Alarmstufe Rot!  !PLAZEBOALARM!

Das war schon eine absurde Zeit damals, im Februar 2006, oder?

Wir sind Plazeboalarm! Klar soweit?
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