Wer nichts WiRT wird WiRT

Manchmal bringen ja andere Dinge auf den Punkt, den man selbst so nie gefunden hat. Unser Ding ist es ja hier bei Plazeboalarm (außer wenn das Themometer die 30 Grad Marke übersteigt), die anzuschwärzen, die "Wissenschaft" benutzen, um zum Beispiel ein Produkt zu verkaufen.

Das unserer Meinung nach ärgerliche daran ist, dass sie "Wissenschaft" immer nur der Form nach verwenden, also es so aussieht wie Wissenschaft, tatsächlich aber meist weit davon entfernt ist.

Nur weil irgendwo ein Stempel prangt: "wissenschaftlich bewiesen" oder weil ein Mann im weißen Kittel kluge Sprüche macht, muss das tatsächlich nichts mit Wissenschaft und guter wissenschaftlicher Methode zu tun haben.

Die Kollegen vom österreichischen sciblog haben für diese Verwendung in der Werbung eine treffende Umschreibung gefunden, die wir uns gerne zueigen machen möchten. Frei nach ihrem Beitrag nennen wir das Phänomen ab sofort:

den Die Wissenschaft hat immer Recht-Trick

oder kurz der DWhiR-T

oder noch kürzer WiRT.

Wir werden das demnächt mal genauer spezifizieren und definieren und beschreiben, was da alles dazugehört, welche Mittel verwendet werden, um den WiRT möglichst überzeugend rüberzubringen.

Bis dahin: Vergesst uns nicht und hofft auf Regen ...

Maaartin, wolltest Du mir nicht noch ein wenig Eis für die Cola ....?
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Und wenn Plazebos nicht mehr funktionieren?

Es ist diese Hitze, die unser Gehirn schmoren lässt. Es nimmt uns die Kraft und den Willen und die Pfiffigkeit intelligente Gedanken und messerscharfe Begründungen gegen die zu formulieren, die uns ständig hinter´s Licht führen wollen, indem Sie den Mantel der Wissenschaftlichkeit vor sich her wehen.

Außerdem waren wir ein paar Tage im Urlaub und brauchen auch noch ein paar mehr davon.

Wir melden uns wieder und überlassen bis dahin dem geneigten Leser folgende Fragen (vor dem Hintergrund, dass ein Plazebo durchaus eine Wirkung hat, die aber nur funktioniert, wenn man nicht weiß, dass es ein Plazebo ist):

Wenn alle wissen, dass es so etwas wie ein Plazebo gibt, werden Plazebos dann noch funktionieren?

Wenn sie deshalb eines Tages nicht mehr funktionieren: Ist uns dann nicht etwas wichtiges verloren gegangen? (So im Hinblick auf Aktivierung von Selbstheilungskräften oder wie auch immer Plazebos funktionieren.)

Klingt spinnert? Wir sagten ja: Die Sonne zerschießt uns das Gehirn.

Wir haben nicht mal die Kraft zu verlinken ...

Martin! Hast Du noch etwas Eis für die Cola?
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Major Tom grüßt Thomas Reiter

All denen, die wie wir auf den Start von Thomas Reiter im Space Shuttle warten, wollen wir die Zeit ein wenig verkürzen mit dem Hinweis auf einen kleinen Popsong der frühen 80er Jahre.

Wir reden natürlich von - einige der werten Leser ahnen es schon – Major Tom vorgestellt von Peter Schilling, der einst in NDW-Zeiten mit diesem Lied abräumte. Inzwischen fährt er zweigleisig und verquickt Musik und Wellness für Männer (brrrr) miteinander (das für die Rubrik: "Was macht eigentlich ...?")

Astronaut, Copyright NASA.

Die Beschreibung des Prozederes bis zum Start der Rakete ist in wenigen Worten ganz gut eingefangen.

Die Wissenschaft wird, zumindest aus Sicht des Helden, eher etwas pessimistisch betrachtet (Jeder ist ja ein Kind seiner Zeit).

Ansonsten ein nettes Lied, dass einen schon mal über die heiße Mittagszeit bringen kann. Aber dann kann man es auch bis zum nächsten Start wieder vergessen.

Und für Thomas Reiter hoffen wir natürlich, dass es endlich losgeht, und dass er dann aber schön auf der Station bleibt.

Den Wissenschafts-Pessimismus teilen wir natürlich nicht. Diskutieren über Exprimente in Schwerelosigkeit kann und soll man natürlich ausgiebig.

... 3,2,1 lift off.
Gründlich durchgecheckt steht sie da
und wartet auf den Start. - Alles klar.
Experten streiten sich um ein paar Daten -
Die Crew hat dann noch ein paar Fragen, doch der Countdown läuft.

Effektivität bestimmt das Handeln
Man verlässt sich blind auf den andern.
Jeder weiß genau was von ihm abhängt,
jeder ist im Stress, doch Major Tom macht einen Scherz.

Dann hebt er ab und völlig losgelöst
von der Erde schwebt das Raumschiff völlig schwerelos.

Die Erdanziehungskraft ist überwunden,
Alles läuft perfekt - schon seit Stunden.
Wissenschaftliche Experimente,
doch was nützen die am Ende denkt sich Major Tom.

Im Kontrollzentrum da wird man panisch.
Der Kurs der Kapsel, der stimmt ja gar nicht.
"Hallo Major Tom, können Sie hören,
woll'n Sie das Projekt denn so zerstören?",
doch, er kann nichts hörn'.

Er schwebt weiter völlig losgelöst
von der Erde schwebt das Raumschiff völlig schwerelos.
Die Erde schimmert blau. Sein letzter Funk kommt:
"Grüsst mir meine Frau!" Und er verstummt.

Unten trauern noch die Egoisten,
Major Tom denkt sich "wenn die wüssten -,
mich führt hier ein Licht durch das All,
das kennt ihr noch nicht, ich komme bald. Mir wird kalt."

Völlig losgelöst von der Erde schwebt das Raumschiff...
Den Text gibt es auch nochmal auf Schillings Seite.
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Bürgerjournalistin S. bitte melden

Zusatz 21.12.07: Wir haben diesen alten Beitrag geändert, weil sich die Autorin des Readers Edition Beitrags inzwischen bei uns gemeldet hat (was der Sinn unseres Beitrags war), und uns erklärt hat, unter welchen Bedingungen der Beitrag für die Readers Edition damals entstanden ist (Stichwort 16-jährige Praktikantin bei einer PR-Agentur: Du hast nichts zu tun, dann schreib doch das hier mal für die RE ...).

Da wir wissen, welche gewollten aber auch ungewollten Folgen solche Namenerwähnungen haben können (Stichwort Namen googeln), die Namenerwähnung zudem ihren Zweck erfüllt hat, können wir darauf getrost verzichten (zumal vor Weihnachten).




Wenn wir nur ein wenig Zeit hätten, könnten wir uns endlich mal um dieses vermaledeite (das ist mal wieder ein Wort) Anti Aging Bier kümmern.

Die Kombination von Wellness und Bier(bauch) scheint so skuril zu sein, dass aber auch wirklich alle die Pressemitteilung übernommen haben: von der Bürgerjournalistin K. S. von der Readers Edition der Netzeitung bis zur Ärzte-Zeitung.

(Übrigens, ein schöner Beleg dafür, dass die Grenzen zwischen Bürgerjournalist und echtem Journalist fließend bis gar nicht vorhanden sein können.)(siehe Nachtrag)

Vielleicht haben Sie sich davon beeindrucken lassen, dass das Projekt betreut wird von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke” (AiF) und vor allem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) finanziell gefördert wird.

Statt einfach nur die Pressemitteilung zusammenzufassen, hätten wir uns gewünscht, es fragt mal jemand bei der AiF nach, womit die belegen können, dass das Bier hält, was es verspricht. Und vor allem: Wieso fördert das Bundesministerium eine solche angebliche Innovation finanziell?

Das wäre doch mal was, mit dem sich die Bürgerjournalistin hervortun könnte und den gestandenen Journalisten eine Harke zeigt.

Nachtrag:
Wie wir inzwischen erfahren haben, lief der Beitrag bei der Ärzte-Zeitung unter der Rubrik "Fundsachen", die auch als Rubrik "Auch das noch ..." in der Ärzte-Zeitung läuft. Damit stellen die Redakteure Amüsantes und Eigenartiges vor, und machen zugleich klar, dass sie das nicht ganz Ernst nehmen.

Allerdings kommt das im Text nicht so ganz rüber, und wer nicht vertraut ist mit den Rubriken, der gerät da schnell auf´s Glatteis, nach dem Motto: "Wenn die Ärztezeitung schon darüber berichtet."

Etwas mehr Mut zur komödiantischen Distanzierung wäre dabei vielleicht hilfreich gewesen.
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Poldi, Kahn und Co droht Glatze

Während wir eine Dokumentation über das Verhältnis von PR und Journalismus des netzwerk recherche lesen, fällt uns ein, dass uns in diesem Zusammenhang zu Beginn der WM ein interessantes Beispiel aufgefallen war, an dem man zeigen kann wie eine Meldung in die Zeitung kommt.

Alle, alle, alle Firmen wollen die WM für ihre Zwecke nutzen. So auch unsere alten Bekannten von der Firma Dr. Kurt Wolff, die die Glatzen bedrohten Menschen unter uns mit Koffein vor Haarausfall schützen wollen. Koffein soll vor dem schädlichen Einfluss von Testosteron schützen, dessen Wirkung zu Haarausfall führt (mal ganz verkürzt gesprochen).

Was wir von der wissenschaftlichen Beweisführung zur Wirkung von Alpecin mit Koffein halten, hatten wir schon erläutert.

Das interessiert die Marketingabteilung natürlich überhaupt nicht. Die suchen offenbar jeden Weg, um die Verbraucher auf die Connection Haarausfall, Testosteron und schließlich Koffein zu bringen.

Dr. Wolff veröffentlicht eine Pressemitteilung auf der Pressemitteilungs-Plattform der dpa-Tochter news aktuell.

Danach habe eine wissenschaftliche Studie gezeigt, dass während eines Fußballspiels der Testosteron-Spiegel der Spieler der Heimmanschaft um bis zu 67 Prozent steigt.

Da kann die logische Folge aus Sicht von Dr. Kurt Wolff nur lauten:
Erhöhte Glatzengefahr bei der WM / Das deutsche Team besonders gefährdet.
Vielleicht war es nicht ganz ernst gemeint, aber zumindest die news aktuell Mutter dpa, hat die Meldung übernommen. Und so gelangt sie dann in Zeitungen und Webseiten.

Einer der Autoren der Originalstudie war sichtlich überrascht, als wir ihn darauf hinwiesen, wozu das Ergebnis verwendet wurde. David Edwards meinte auf unseren Hinweis per E-Mail.
Interessant. Der Artikel hat überhaupt nichts mit Haarausfall zu tun.
Der Marketingabteilung von Dr. Kurt Wolff ist aber noch ein besonderer Coup durch die Lappen gegangen, denn auch bei Mann und Frau Zuschauer steigt angeblich der Testosteron-Spiegel, zumindest laut Kölner Express. Der beruft sich allerdings auf eine Studie, die nicht zu finden war.

Fazit: Marketingabteilung nutzt wissenschaftliche Studie, die abgesehen von Testosteron nichts mit dem Produkt zu tun hat, für eine Pressemitteilung, um weiter an der wissenschaftlich/medizinischen Aura des Produktes zu arbeiten, journalistische Agentur übernimmt die PM ihrer PR-Tochter und verkauft sie als journalistische Meldung an ihre Kunden.

So geht das.

Und hier nochmal der Hinweis auf die netzwerk recherche Dokumentation.

Und warum das wissenschaftich natürlich totaler Unsinn ist, erklären wir dann ein anderes Mal.
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Wie geschmiert

Manchmal muss man es einfach mal gelesen haben, um zu verstehen, wie etwas genau funktioniert. Zum Beispiel wie eine ganze Branche durch Lobbyismus alles daran setzt, andere Beteiligte zu ihren Gunsten zu beeinflussen.

Nein, wir reden gerade nicht von Pharmafirmen, sondern von der Tabakindustrie, die die Gaststättenbranche unterstützt(e).

Dietmar Jazbinsek und Felix Berth beschreiben in der Süddeutschen Zeitung ausführlich wie das konkret aussieht.

Die schönsten Beispiel wollen wir zitieren:

1. Beispiel: Eine wissenschaftliche Studie wird erstellt mit gewünschtem Ergebnis.
... Die Lobbyorganisation der Tabakkonzerne gab deshalb eine Marktstudie in Auftrag, die nachweisen sollte, dass Raucher in Gaststätten mehr Geld ausgeben als Nichtraucher. Das Ergebnis der Forschungen durfte der Dehoga bei seiner Jahrestagung publizieren. ...
2. Beispiel: Finanzielle Unterstützung für Allerlei und einen Kongress.
... Darin zählte er auf, was dem Verband Horeca im Jahr 1995 finanziert wurde: Neuer Verbandsprospekt, neues Konzept für das Verbandsmagazin, weltweite Kampagne zur Mitgliederwerbung, Veranstaltung eines attraktiven Jahreskongresses (Hongkong, 11. bis 19. September 1995). ...
3. Beispiel: Einflussnahme bei einem Text als Gegenleistung für finanzielle Unterstützung.
... Für diese Selbstdarstellung der europäischen Gastronomie bot Philip Morris einen Druckkostenzuschuss in Höhe von 20 000 Dollar an. Einzige Bedingung: Das Kapitel „Rauchen in der Öffentlichkeit“ sollte von Autoren aus dem Haus Philip Morris geschrieben werden. ...
4. Beispiel: Bitte um Diskretion.
... Der Gastgewerbeverband war einverstanden, wie Philip-Morris-Mitarbeiter zufrieden feststellten. Einzige Einschränkung, die in einem Gesprächsprotokoll vermerkt wurde: "Der Hotrec und seine nationalen Mitglieder fühlen sich nicht wohl dabei, wenn sie in der Öffentlichkeit mit Philip Morris in Verbindung gebracht werden. Die Unterstützung ist willkommen, sollte aber so diskret wie möglich gehandhabt werden." ...
Man muss nur deutlich machen, was man will, dann läuft´s auch wie geschmiert ...
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