Schulterklopfen zum Jahresbeginn

Ein frohes Neues wünschen wir. Da sind wir wieder. Und klopfen uns erstmal auf die Schulter.

Hwang

Hatten wir es nicht gesagt? Muss man nicht vorsichtig sein mit wissenschaftlichen Ergebnissen, zumal mit Durchbrüchen? Hatten wir nicht darauf verwiesen, dass das eigentlich immer falsch läuft, weil nach einer wissenschaftlichen Veröffentlichung der wissenschaftliche Prozess erst abgeschlossen ist, wenn die Ergebnisse von anderen unabhängigen Wissenschaftlern bestätigt werden?

Medien und Fachzeitschriften halten sich natürlich nicht dran, weil es sonst ja ein wenig langweilig wäre, aber es soll keiner sagen, es hätte niemand gewusst. Jetzt ist er groß der Katzenjammer.

Aber uns Pingeligkeit vorwerfen. Was? Hat keiner gemacht? Aber gedacht, gedacht habt ihr´s, werte Leser. Jetzt tut nicht so.

Wo von wir reden?

Na, davon, von Woo Suk Hwangs Klon-Stammzell-Desaster während unserer Abwesenheit und unserem Hinweis – ja schon damals – dass man vorsichtig sein muss.

Nicht, das wir das geahnt hätten, aber – nächstes Mal, vorsichtig sein.

Und ab morgen wieder Handfestes. Genug der Selbstbeweihräucherung.

2006 wir kommen!
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Passivraucher sterben nicht an BSE

Passivrauchen tötet Menschen. Seit gestern wissen wir es auch ganz genau: Rund 3300 Nichtraucher sterben jährlich in Deutschland, weil sie den Rauch der Glimmstängel einatmen (müssen).

Forscher der Unis Münster und Heidelberg haben das laut einer Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) errechnet (es wurde auch gerne darüber berichtet z. B. hier und hier).

Um dem Laien (und den Medienvertretern) eine Einschätzung zu geben, wie gefährlich Passivrauchen ist, griffen sie zu folgendem Vergleich:
"An den Folgen des Passivrauchens versterben [ ...] mehr (Menschen) als gegenwärtig pro Jahr in Deutschland durch illegale Drogen, Asbest, BSE und SARS zusammen".
BSE ? SARS ?

Ist BSE nicht die Rinderseuche? Sollte wahrscheinlich Creutzfeld-Jakob heißen, oder? Und SARS, ist da jemand in Deutschland dran verstorben? Wie viele waren das noch? Kommt, Leute!

Anfrage an die Pressesprecherin des DKFZ, Frau Rautenstrauch, ob es sich dabei um einen Fehler handelt? Prompte Antwort:
"Dieser Formulierung wurde von den Epidemiologen im Vorfeld stark diskutiert. Die Formulierung wurde als bewusste Provokation gewählt (hier sind ja sehr unterschiedliche Dinge in einen Topf geworfen), um deutlich zu machen, wie unverhältnismäßig die Kommunikation zu Risiken in Deutschland im Verhältnis zu den echten Risiken erfolgt."
Ah, jetzt. Die Wissenschaftler wollten uns darauf hinweisen, dass sie den Medienwirbel um BSE und SARS für völlig überzogen halten im Vergleich zum Risiko an diesen Erkrankungen zu sterben und vor allem im Vergleich zur Berichterstattung über das Risiko am Passivrauchen zu sterben.

Okay. Jetzt haben wir´s.

Na, sie haben wenigstens drüber diskutiert.

Nachtrag:
(Manchmal braucht man ja ein bisschen Zeit, bis man ein Problem wirklich durchdrungen hat.)

Der Punkt ist eigentlich, dass Wissenschaftler uns Journalisten häufig vorwerfen, wir würden Zusammenhänge zu verkürzt darstellen.

Das gelingt offenbar auch Wissenschaftlern hin und wieder …

Nachtrag 2:
Das findet sich übrigens nicht nur in der Pressemitteilung, sondern auch in der eigentlichen Publikation (pdf). Erklärt wird es dort auch nicht.
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Epidemie der Volkskrankheiten

Heute gibt es auch noch mal einen Artikel-Hinweis. Diesmal geht es nicht um Medikamente, die gar nicht wirken, sondern um Krankheiten, die nicht so weit verbreitet sind wie oftmals geschrieben. Wir weisen auch darauf hin, weil der Text von einem unserer Autoren stammt.

In dem schon fast poetisch anmutenden Titel Maladien für Millionen (Dank an die Überschriften-Redaktionskonferenz) belegt Kollege Marcus Anhäuser (also ich; ist das schizophren!?), dass eine Großzahl der in Medien, Pressemitteilungen und Fachartikeln verbreiteten Krankenzahlen für ganz Deutschland selten stimmen. Wie viele Millionen Betroffene es von Krankheiten wie COPD, Inkontinez, Migräne usw. in Deutschland gibt, wird zwar gerne verbreitet, ist aber selten wissenschaftlich belegt.

Ein gravierendes Beispiel ist das „Offene Bein“. Statt der vielfach berichteten 1 Million Betroffener, sind es wohl zwischen 50.000 bis 80.000.

In den meisten Fällen dieser 'Epidemie der Volkskrankheiten' handelt es sich um Schätzungen, unzulässig hochgerechnet aus Daten kleinerer Studien.

Selbst Rechenfehler schleichen sich ein, wie der Autor herausfand. Da werden aus 80.000 Betroffenen ganz schnell 800.000.

Warum das alles so ist und wozu, findet sich im Artikel in der Süddeutschen Zeitung, der auch online verfügbar ist.

Ergo, lieber Leser: Trau´ keiner Angabe über 1 Million Kranker, die du nicht selbst gezählt hast.

Oder wie die Epidemiologin Frau Scheidt-Nave vom Robert Koch-Institut auch sagte (was aber beim Kürzen des SZ-Artikels der Redaktionsschere zum Opfer fiel): „Eigentlich muss man bei jeder veröffentlichten Zahl erstmal recherchieren, auf welchen Daten sie beruht.“

Für wahr.
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Kornkreise im Schnee

Wer noch etwas Lesefutter sucht, weil er gerade die Zeit in irgendeinem eingeschneiten Autostau oder von der Außenwelt abgeschnittenen Hauptbahnhof verbringen muss, dem möchten wir einen Artikel über das sommerliche Thema Kornkreise empfehlen. Ja, die gibt es immer noch. Und auch die Menschen, die glauben, da ist irgendwas Übernatürliches im Spiel.

zum Buch Kornkreise von Harald Hoos

Martin Zips hatte einen solchen Menschen besucht und Anfang November darüber in der SZ geschrieben. Wir wollten längst darauf verwiesen haben, aber irgendwie ist der Hinweis ‚verschütt’ gegangen’. (Mit einem Ausdruck wie ‚verschütt’ gegangen’ kann man schon mal einen Vormittag verbringen, oder?)

Wer noch mal wissen will, was die eigentliche Ursache ist, also wer sich die Mühe macht, Kornkreise in Felder zu malen, kann sich das in einem älteren Artikel der SZ zu Gemüte führen. Und natürlich darf der Hinweis auf die deutschen Skeptiker der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V. (GWUP) nicht fehlen.

Die aktuellsten Kornkreis-Meldungen in Deutschland finden sich hier. Da fällt uns dann noch mal auf, dass das schon eine sehr saisonale Angelegenheit ist: Ohne Getreidefelder, keine Kornkreise. Dachten wir – und erfahren, dass es auch Schneekreise gibt.

Für eine musikalisch anheimelnde Hintergrundbegleitung könnten wir uns natürlich auf einen offensichtlichen Musiktipp versteigen: Ein Bett im Kornfeld von Jürgen Drews.

Einem Teil der Redaktion gefällt aber die filigran-sommerliche Leichtigeit von Les Négresses Vertes´ altem unplugged Album Accoustic clubbing entschieden besser.

Außerdem ist das Album deutlich länger als die Single. Wer weiß, wie lange die Leute noch im Schnee stecken.
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Unfälle: relativ viel oder absolut wenig?

Aus dem Leitfaden für Marketing und PR (steht da sicher irgendwo):
„Um Ergebnisse möglichst eindrucksvoll zu präsentieren, wählen Sie relative Häufigkeiten und stellen Sie diese in Prozentzahlen dar.“
Aus dem Leitfaden für Wissenschaftsjournalisten (steht da sicher irgendwo):
„Um möglicherweise übertriebene Darstellung von Ergebnissen zu entlarven, erfragen Sie von Wissenschaftlern immer die echten Häufigkeiten ihrer Studienergebnisse. Lassen Sie sich nicht mit relativen Häufigkeiten in Prozent abspeisen.“
Machen wir natürlich nicht.

Aktueller Fall: Das Projekt „begleitetes Fahren ab 17“. Jugendliche dürfen den Führerschein schon mit 17 machen. Müssen dann aber bis zum 18. Lebensjahr von einem Elternteil begleitet werden. Ziel: Die Unfallzahlen von Fahranfängern sollen gesenkt werden. Jetzt wurden erste Ergebnisse des Projektes präsentiert.

Der niedersächsische Verkehrsminister Walter Hirsche spricht (als mp3) von einem "sehr guten Ergebnis", weil das begleitete Fahren mit 17 doch tatsächlich die Unfallzahlen um 40 Prozent gesenkt habe.

Er präsentiert das Ergebnis als relative Häufigkeit in Prozent (in einer Gruppe gab es 40 Prozent weniger Unfälle als in der Vergleichsgruppe). Klassischer PR-Trick (siehe oben).

Aber, von wie vielen Unfällen sprechen wir. Gab es in einer Gruppe 100 Unfälle und in der anderen nur 60. Oder 10 in der einen und 6 in der anderen? Beides wäre eine Verbesserung um 40 Prozent.

Das Problem: In der Größenordnung um 10 könnte es sein, dass der scheinbare Erfolg gar keiner ist, weil das statistisch gar nicht solide abgesichert werden kann.

Auf der Webseite finden sich keine Angaben dazu, wie viele Unfälle es tatsächlich gab.

Ist der Erfolg tatsächlich ein Erfolg?

Wir fragen natürlich nach.

Demnächst mehr, hier bei PLAZEBOALARM
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Hinter´m Horzont geht´s weiter

Horizont

In dieser ganzen Diskussion über Evolution und Intelligent Design (formerly known as Kreationismus) kam uns heute eine Methaper in den Sinn.

Ein Argument der ID-Vetreter lautet, dass es biologische Komponenten gibt, die so komplex sind, dass sie nicht "von ganz alleine", also durch natürliche Selektion, entstanden sein können. Sie seien nur durch einen "Designer" zu erklären.

Ist das nicht genau so, wie einst Menschen an den Stränden dieser Welt saßen und überzeugt waren, dass es hinter dem Horizont nicht mehr weiter geht?

Horizont2

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aktualisiert: 12. Dez, 12:22
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