Krankenzahlen, die sich in Rauch auflösen

Damit die Leute mal sehen, womit wir (in dem Fall ich) eigentlich unser Geld verdienen ...

+++ Wie viele COPD-Kranke gibt es in Deutschland? 5 Millionen oder sind es nicht doch eher weniger als 1 Million? +++ Und: Warum sollten es künftig mehr werden, wo doch die Zahl der Raucher seit Jahren stagniert oder sogar zurückgeht und die Luftverschmutzung abnimmt? +++ Warum COPD in Deutschland nicht die Killerkranheit der nächsten Jahrzehnte wird, lesen Sie hier bei sueddeutsche.de!

Zusatz:
Dem Thema Krankenzahlen haben wir uns ja schon mal gewidmet.
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Vorurteil mit umgekehrtem Vorzeichen

Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass Muttermilch fast so etwas wie eine heilige Kuh ist. Sie ist sozusagen unendlich gut. Es gab Zeiten, da war genau das Gegenteil der Fall (Die Flaschenkinder unter uns wissen, wovon wir reden.)

Aus eigener Erfahrung wissen wir aber auch, dass man, wenn man etwas "ins Herz geschlossen hat", gerne mal vergisst, die rosa Brille abzulegen.

Man glaubt alles, was einem Heiligtum an neuen positiven Eigenschaften zugeschrieben wird (Muttermilch macht schön, klug und erfolgreich), und zweifelt alles an, das am Image dieses Heiligtums kratzt (Muttermilch mit Schadstoffen belastet).

Deshalb ist der Artikel von Heike Le Ker bei SpOn über Muttermilch ein Artikel nach unserem Geschmack. Weil er uns daran erinnert, dass wir auch bei den Dingen kritisch sein müssen, die wir eigentlich lieb gewonnen haben ("lieb" ist jetzt der falsche Begriff, aber das lief jetzt gerade so aus den Fingern heraus).

Also, legt die rosa Brillen ab (auch wenn heute die tollen Tage beginnen), denn es gibt auch Vorurteile in die positive Richtung, also mit umgekehrtem Vorzeichen sozusagen.

(Martin, machst Du mal das Fläschchen warm!)
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Es ist häufig (sehr) selten - meistens jedenfalls

Eines der (sehr/extrem) häufigen täglichen Probleme eines Wissenschaftsjournalisten (und vieler anderer) ist der Kampf, wissenschaftliche Ergebnissen in sinnvolle, verständliche und angemessene Sprache zu übersetzen.

Schwierig wird es zum Beispiel (sehr/extrem) häufig, wenn es um die Häufigkeit eines Ereignisses geht. Wann ist etwas häufig, sehr häufig oder extrem häufig, wann ist es selten oder sehr selten. Wann kann man manchmal schreiben und wann immer?

Wir wissen gar nicht, ob es für Wissenschaftsjournalisten so etwas wie ein Richtschnur gibt. Für Mediziner gibt es so etwas, wenn es um die Einschätzung geht, wie häufig eine Nebenwirkung auftritt.

Eine Nebenwirkung ist zum Beispiel sehr häufig, wenn mehr als zehn von einhundert Patienten davon betroffen sind (also mehr als zehn Prozent).

Selten ist die Nebenwirkung, wenn ein bis zehn von zehntausend Personen davon betroffen sind (also zwischen 0,01 und 0,1 Prozent).

Gut zu wissen. Mehr dazu hier.

Solche Hilfestellungen nimmt man im täglichen Kampf mit Wort und Zahl wahrscheinlich viel zu selten(?) zu Rate. Oft ((sehr)häufig?))(meist)(immer) entscheidet auch nur das eigene Bauchgefühl oder die Hysteriefähigkeit oder der Chefredakteur, ob etwas extrem häufig oder sehr häufig stattfindet.

Und das kann natürlich auch der Grund für ausgelassene Streitereien um einzelne Worte sein - wie zuletzt im Weltklimarat bei der Abfassung des IPCC-Berichtes (wie wir im aktuellen New Scientist (10. Februar, S. 7: "Reason to be cautious") erfahren).

Da ging es nämlich darum, ob der menschliche Beitrag an der Klimaerwärmung extremely likely oder nur likley ist. Das IPCC hatte die Begriff natürlich definiert: extremely bedeutet eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 95 Prozent, während likeley nur wahrscheinlicher als 66 Prozent ist. Einige Briten waren für extremley, während die Chinesen likely vorzogen.

Der Streit dauerte fünf Stunden (sagt NS).

Am Ende einigte man sich auf very likely, was für eine mindestens 90-prozentige Wahrscheinlichkeit spricht, dass der Mensch die globale Erwärmung verursacht hat.

Was lernen wir daraus: Das IPCC hatte definitiv keinen Redaktionsschluss, (sehr) wahrscheinlich.

Für die Nicht-Engländer unter uns:
extremely = extrem
likely = wahrscheinlich
very = sehr
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Iss.Das.Nicht!

Was die wisskomm.de-Jungs (gibt´s da eigentlich Mädchen?) mit ihrer täglichen Presseschau für den deutschsprachigen Bereich leisten, schafft Plazeboalarmkollege Martin Schäfer mit seinem Blick in die internationale Presse auf EuroScience.net, den man auch als wöchentlichen Newsletter bestellen kann.

Dort verwies er uns auf einen Artikel in der NYT von Michael Pollan. Er hat bemerkenswertes zum Thema "Essen" zu sagen.

Einerseits fasst er kurz zusammen, für welche allgemein anerkannten Ratschläge inzwischen die wissenschaftlichen Belege ausgehen (z.B. fettarme Ernährung schütze vor Brustkrebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen etc.).

Andererseits gibt er einen einfachen Hinweis, den man sich zu eigen machen sollte in diesem Dschungel von Lebensmitteln mit zusätzlichen gesundheitlichen Effekten (was in US-Land ja noch deutlich ausgeprägter ist, als es hier der Fall ist. Das wird sich aber denmächst ändern ... da müssen wir auch nochmal nachhaken).

Sein Tipp für den nächste Einkauf im Supermarkt lautet:
"Wer sich Gedanken um seine Gesundheit macht, sollte Nahrungsmittel mit Gesundheitsslogans im Regal stehen lassen. Warum? Weil Nahrungsmittel/Lebensmittel mit Gesundheitsslogans ein gutes Anzeichen dafür sind, dass es sich nicht wirklich um ein Nahrungsmittel/Lebensmittel handelt."
Dazu muss man wissen, was er vorher beschreibt:
"Es gab einmal eine Zeit, da waren Nahrungsmittel/Lebensmittel, alles, was man essen konnte. Heute gibt es aber auch noch eine ganze Menge Nahrungsmittel-ähnlicher Substanzen im Supermarkt zu kaufen." Er meint das, was man auch als processed food beschreibt (wie wäre der deutsche Begriff?)
So, und weil hier gerade wieder die Arbeit ruft (sprich das Telefon klingelt mit einer Nummer aus der Stadt der großen Redaktionen) gibt´s nur noch eines zu tun:

Lest.Das.Selbst!
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Handy aus, Handy an

Wer sich nur von Überschriften ernährt, der hatte gestern erst einmal ein Problem:

Handys können Krebs auslösen
SZ, 01.02.2007

Handys sorgen nicht für Krebs, aber für Schlagzeilen
Spiegel Online, 01.02.2007

Nicht mit Krebs verbunden
Tagesspiegel, 01.02.2007

und, und, und ...

Wer die Artikel gelesen hat (und zwar wie es sich gehört aus mehreren Quellen), weiß: Sorgen machen müssen wir uns erst mal nicht. Vorsichtig sein lohnt sich indes immer bei einer "neuen" Technologie. (oh, wir kommen ins Labern)

Ansonsten halten wir uns diesmal ein wenig zurück, weil:
Wir haben competing interests/conflicts of interest:

Die Autoren dieses Beitrag (also ich) erklären, dass sie sowohl für SZ als auch für Spiegel Online arbeiten. Daraus ergeben sich Interessenskonflikte, die eine objektive Berichterstattung beeinflussen können.

Warum sollte für Journalisten anderes gelten als für Wissenschaftler ...
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Nochmal: Eine Studie ist keine Studie

Und weil Herr Jakobasch von wisskomm.de uns gerade erklärt hat, warum es so schwierig ist, auf einzelne Artikel auf wisskomm.de zu verlinken, nutzen wir die Gelegenheit, nochmal auf deren Presseschau zu verweisen (ohne Link).

Denn ohne die hätten wir diesen schönen Beitrag in der NZZ übersehen. Den finden wir deshalb so gelungen, weil er uns mit einem Beispiel ausrüstet, das man immer dann vorbringen kann, wenn man erklären muss, warum das Ergebnis einer einzelnen Studie in der Wissenschaft nur begrenzten Wert hat.

Der Untertitel sagt es: "Warum neue Erkenntnisse immer bestätigt werden müssen - ein Lehrstück"

Kurz: Eine erste Studie hatte die Hoffnung geschürt, anhand bestimmter Antikörper könnten Ärzte feststellen, ob überhaupt und wie sich eine Multiple Sklerose entwickelt und welche Therapie angebracht wäre. Jetzt zeigt eine zweite Studie: Klappt gar nicht, die Antikörper sagen gar nichts darüber aus.

Wir hatten das ja schon erklärt: "Auf einem Bein kann man nicht stehen."

Weiter machen.
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